Raimund Lichtspiele/Raimund Kino (1920-08.07.1971)
Sechshauser Straße 3
1150 Wien

Die Raimund Lichtspiele (15., Sechshauser Straße 3) wurden 1920 im großen, nahezu quadratischen Saal des ehemaligen beliebten Vorortelokals „Stadtgutsäle“ gegründet.
Besitzer waren von 1920 bis 1929 Ludwig Kozeny (geb. 1880 in Wien) sowie Julius Öhring, der daneben auch Mitbesitzer des Hindenburg Kinos war.
1929 kaufte der 1900 in Cernowitz geborene Kurt Wolanski das Kino und ließ in der Folge auch in seinem Kino eine Tonfilmanlage einbauen. Der erste Tonfilm im Raimund Kino wurde zu einem Großereignis im Bezirk. Eine riesige 11 Meter lange und 5 Meter hohe Wand am Portal des Kinos für „Leuchtreklame“ machte das damals größte Kino von Fünfhaus auch zu dessen populärsten.

Die Kinolizenz hatte von 1920 bis 1934 die Ortsgruppe Rudolfsheim des Landesverbandes der Kriegsinvaliden. Im Zuge der Februarkämpfe musste diese aufgelöst werden, und die nunmehrige Konzession ging an den Österreichischen Kriegsopferverband.

1938 befand sich das Kino zu 25 % in Besitz des illegalen Parteimitglieds Gustav Tögl. Tögl war 1911 in Karlstetten bei St. Pölten geboren worden und seit 1933 Mitglied der NSDAP; ab Oktober hatte er 1933 im „Haydnpark Kino“ gearbeitet. Im Lebenslaufe, den Tögl im Zuge der „Arisierung“ des Kinos der Vermögensverkehrsstelle im Oktober 1938 vorlegte, hieß es u. a.:
„Ich bin Mitglied des Deutschen Turnerbundes gewesen bis zu meinem 16. Lebensjahr, später Mitglied des Deutschen Schulvereines Südmark. Seit 18.6.1933 Mitglied der NSDAP, Ostmarknummer 20.179, unter der ich noch heute in der Ortsgruppe Gersthof geführt werde. Habe mich seit meiner frühen Jugend im Sinne der nationalsozialistischen Bewegung betätigt, was ich seit je durch die Zugehörigkeit zu nationalen Vereinen dokumentierte. Meine Arbeit in der illegalen Zeit wurde in einem befürwortenden Schreiben der Ortsgruppe an die Betreuungsstelle dargelegt. Ich bin von der Betreuungsstelle erfasst und befürwortet. Derzeit bin ich bei der NSKK-1/KA Ostmark.“

Weitere 25 Prozent hielten Robert Pfundler, Parteianwärter der NSDAP, Idal Kotzian, geb. Tögl, seit 1933 illegales Parteimitglied, sowie die ab 1946 als „politisch unbelastet“ bezeichnete Anna Magreiter.

Es wurde daher nach Kriegsende 1945 Dr. Alfred Migsch als öffentlicher Verwalter eingesetzt, was, so ein Akt des Magistrats vom 12. September 1946, „unter Berücksichtigung des Veranstaltungsbetriebsgesetzes für den 75%-igen Gesellschaftsanteil [der ehem. Nationalsozialisten] gesetzlich fundiert“ war.
Im Februar 1948 zog sich Migschs Nachfolger, Friedrich Horn, aus der öffentlichen Verwaltung zurück, da „nach dem Verbotsgesetz 1947 die Voraussetzungen zu so einer Verfügung nicht mehr bestehen dürften“.

Zu diesem Zeitpunkt war die Konzession bereits an den Kriegsopferverband übertragen worden, Verhandlungen zwischen diesem und den ehemaligen Besitzern liefen im Februar 1948 noch. Die KIBA bewarb sich zeitgleich „um einen Programmierungsvertrag“.

Das Kino musste im Sommer 1971 geschlossen werden. Heute ist der einst beliebte Bezrikstreffpunkt eine Filiale der internationalen Lebensmittelkette „Spar“.

Fassungsraum
700 (1922)
733 (1926)
745 (1934)


Quellen
Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A11: 14. Raimund-Lichtspiele
Wiener Stadt- und Landesarchiv, Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien, A1 – Kinoakten: 93 Raimund-Lichtspiele
Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A27/10 – K128−K139: K136 Raimund-Kino Werner Michael Schwarz: Kino und Kinos in Wien. Eine Entwicklungsgeschichte bis 1934. Wien: Turia & Kant 1992, S. 264.

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