© KinTheTop/Angela Heide
zuletzt aktualisiert: 17.10.2021
Zitierweise: http://www.kinthetop.at/forschung/kinthetop_23_LiesingerKino01.html, zuletzt eingesehen [Tag.Monat.Jahr]

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Das Auhof Kino in der Auhofstraße 134 wurde 1914 unter dem Namen „Kino Oeser“ gegründet. Lizenzinhaber war Franz Josef Oeser, der zuvor ein Wanderkinounternehmer gewesen war und ab 1913 das „Franzenskino“ leitete (5., Schönbrunner Straße 12, danach „City Kino“ zuletzt „Movie Kino“), dessen Lizenz er mittels „Lizenztransfer“ in sein neues Kino übernahm.

Franz Josef Oesers erstes Kinounternehmen datiert nach einer Reihe von Quellen auf das Jahr 1896 zurück, damals nach noch als Wanderkinobetrieb. Auf das Jahr 1898 datiert zudem ein Film, bei dem Oeser Regie führte: Neue Sarajevoer Aufnahmen.
Um 1900 kam Oeser mit seinem Wanderkino „The Oesers Royal Biograf Co.“ unter anderem ins Hotel Stephanie in der Taborstraße, in dem auch die Budapester Orpheumgesellschaft spielte.

Das Haus, in dem Oesers damit drittes Kinounternehmen (nach Wanderbetrieb und erstem Standort in der Schönbrunner Straße) untergebracht war, war 1912 an der Stelle eines bis dahin ebenerdigen Vorstadthauses errichtet worden. Eine Ansichtskarte zeigt das Kino, in das man durch den straßenseitigen rückversetzten Vordereingang, dem eine Art kleiner, geschlossener Grünbereich vorgelagert war, betrat. Als Eröffnungstag des neuen Kinos wurde in einem Zeitungsartikel der 28. November 1914 genannt.

Das neue Kino Oeser hatte in seinem Gründungsjahr 1914 einen länglichen Saal mit einer Galerie sowie zehn Logen und einem Fassungsraum für insgesamt 464 Personen.

1922 übernahmen Ernst Oeser (geb. 1890 in Gedlitz) und Felix Oeser (geb. 1895 in Opatja) den Betrieb, ließen das Kino gleich im ersten Jahr ihrer Leitung umbauen, mehr Logen errichten und den so modernisierten Fassungsraum so auf 443 reduzieren. Von 1927 bis 1929 leitete Ernst Oeser das Kino allein; 1929 übernahm Béla Kondor (geb. 1881 in Uzhorod, Ungarn) die Leitung des Kinos und führte 1930 den Tonfilm ein. 1934 hatte das Kino erneut einen Fassungsraum für 463 Personen.

Aufgrund seiner jüdischen Herkunft musste Kondor 1938 das Kino abgeben, das in der Folge von August Angerer „arisiert“ und in der Liste der der Reichsfilmkammer unterstellten „ostmärkischen Kinos“ bis 1945 geführt wurde.



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Nach Kriegsende im Frühling 1945 übernahm vorerst Hans Mayer als „Opfer des Naziterrors“ die „provisorische Leitung“ des Kinos, das im teilweise zerstörten Haus wiedereröffnet wurde. Ihm folgte am 6. August 1946 die von der englischen Militärregierung Österreichs, Abt. Vermögenskontrolle MG/APC 4, bestellte Margarethe Machalek nach, die die öffentliche Verwaltung mindestens bis in den Mai 1948 inne hatte.

Im Frühling 1948 legte der einstige Konzessionär des Kinos, der nun in London lebende emigrierte Béla Kondor, Berufung gegen Machaleks öffentliche Verwaltung des Kinos ein, wie aus einem Schreiben seines Rechtsanwaltes, Dr. Josef Mattis, aus dem April 1948 hervorgeht.

Kondor hatte die Konzession im März 1948 im Zuge des Rückstellungsverfahrens wiedererhalten und seinerseits Alfred Hauer als neuen Geschäftsführer bestellt. Die Rückstellung hatte dabei im Zuge eines gerichtlichen Vergleichs zwischen Kondor und dem zu diesem Zeitpunkt in Klosterneuburg gemeldeten Tischlergehilfen August Angerer als „rückstellungspflichtigem Erwerber“ stattgefunden (eine Vergleichsausfertigung findet sich dazu in den Akten der Stadt Wien, die mit 14.10.1948 datiert ist). Doch im Oktober war Machaleks Verwaltung immer noch nicht aufgehoben worden, wie aus einem Schreiben Kondors vom 21. Oktober 1948 hervorgeht.
Ein über die damaligen Verleih- und Abspielpraktiken auch kleinerer Wiener Bezirkskinos aufschlussreicher Rechtsstreit zwischen Kondor und Machalek zog sich bis in das Jahr 1949 und wurde, wie aus den überlieferten Akten hervorgeht, wohl zu Ungunsten des einstigen Konzessionärs Béla Kondor entschieden.

Das Auhof Kino, das heute ein Billa ist, zeigte im letzten Jahr seines Bestehens nur noch einen Film: Ben Hur. Im Oktober 1982 schloss es für immer seine Tore.

Der Wiener praktische Arzt Dr. Robert Milla hat mir dazu eine sehr schöne Geschichte geschrieben: Die Nachbarwohnung wurde von einer lieben Freundin des Arztes und deren damaligem Partner bewohnt, der „ein rechter Bastler“ war. Das Paar hatte eine sehr originelle Wohnung, in der sie unter anderem einen Arzneischrank zur Vogelvoliere adaptierten, indem sie die Glasscheiben durch Gitter ersetzten. In der Wohnung befanden sich außerdem ein Podest und ein Hochbett, das genau in der Höhe des Vorfuehrapparats des gegenüberliegenden Kinos stand, so dass die beiden mit der Zeit aufgrund ihrer Schlafposition Ben Hur auswendig konnten „und bei Bedarf auch aufsagen konnten“. Als das Kino schließlich verkauft wurde, rettete der Freund die Neonbuchstaben „Auhof Kino“, die im Schutt der Billa-Filiale lagen, und schenkten sie Dr. Milla. „Jahrzentelang lagen sie bei mir im Keller. Bei einem Umzug habe ich sie neu elektrifizieren lassen, und sie beleuchten nun ztw. meine neue Wohnung in einme intensiven Blau.“ So sind die einstigen Kino-Schriftzüge heute Teil einer Wiener Wohnungseinrichtung.

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