| < < zurück 1912 wurde das Fischer Kino an seinem ersten Standort, der Linzer Straße 48, von Hans Fischer gegründet. Hans Fischer war 1884 in Wien geboren worden, hatte als Zirkusdirektor in Berlin gearbeitet, ehe er nach Österreich zurückkehrte, um hier mehrere Kinobetriebe, neben jenem in Wien auch ein weiteres in Purkersdorf, zu gründen. Bereits nach zwei Jahren beendete Fischer seinen ersten Kinobetrieb und zog nur wenige Meter weiter in die Linzer Straße 83, wobei er mit diesem Schritt seine auf seine Person laufende Lizenz sowie auch den Namen an den neuen Standort mitnahm, sodass 1914 ein neues, zweites Fischer Kino auf der Linzer Straße 83 eröffnete. Das neue Kino, das sich in einem kleinen Gründerzeithaus befand, zählte mit knapp 400 Plätzen zu den Wiener Kinos mittlerer Größe und wurde von der Familie Fischer als Familienbetrieb geführt. Neben Franz Fischer (1884–1940) waren auch dessen Frau Maria Aloisia (20.7.1885–29.1.1962) sowie die drei Töchter Moni, Hansi und Gerti am Tagesbetrieb beteiligt, die Familie wohnte über dem Kino im selben Haus. Das Kino, das sich schon in den ersten Jahren gut etabliert hatte, lief auch in den folgenden Jahren sehr gut und gehört bald zu den beliebtesten Kinos des Bezirks, sodass es die wirtschaftlichen Verhältnisse erlaubten, bereits 1930 eine Tonfilmanlage einzubauen und den Kinosaal stetig nach den Anforderungen der Zeit zu adaptieren. Man betrat die Kinoräume, ähnlich wie etwa im Schubert Kino in Wien-Alsergrund, durch den Hof und kam von hier aus in den Kassen- und Warteraum, von dem aus ein Gang in den Kinosaal führte, der mit seinen 13 Meter Breite und 18 Meter Länge zu den typischen Wiener Kinosälen zählte, mit 18 Sitzreihen, die durch einen Mittelgang in je eine rechte und linke Sitzhälfte eingeteilt waren. Rechts vorne im Saal befand sich der zeittypische Orchesterbereich, die drei Ausgänge, die erneut über den Hof auf die Straße führten, befanden sich neben den linken Sitzreihen mit einem 1,2 Meter breiten Gang dazwischen. 1934 adaptierte Fischer die Räume erneut und erweiterte die Sitzkapazität seines Kinos auf 400 Plätze. NS-Zeit Hans Fischer war vermutlich bereits vor dem „Anschluss“ NSDAP-Mitglied, im April 1939 wurde er offizielles Mitglied der Reichsfilmkammer (RFK), Außenstelle Wien, 1939 änderte der Familienbetrieb seinen Namen auf „Fischer Lichtspiele“. Am 10. Februar 1940 starb Hans Fischer mit nur 56 Jahren, seine Frau Maria Fischer übernahm den Betrieb nun als Alleinerbin, ohne jedoch selbst der NSDAP beizutreten, führte das Kino ganz im Sinne der Reichsfilmkammer weiter und wurde 1941 ebenfalls persönliches Mitglied der RFK. 1942 trat auch ihre Tochter Gudrun Fischer offiziell in die Betriebsführung ein und übernahm die Geschäftsführung des Kinos. Auch in den ersten Kriegsjahren wurde das Kino weiter adaptiert, ein Plan aus dem Jahr 1941 zeigt, dass die Sitzreihenzahl sich nun von 18 auf 20 erhöht hatte, wobei neben dem Mittelgang nun auch ein Quergang in der Mitte des Saales eingebaut wurde, Ein- und Ausgangssituation des Vorstadtkinos blieben in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Mit 18 Vorstellungen pro Woche blieb der frauengeführte Vorstadtbetrieb auch 1943 ein überaus beliebter Treffpunkt, wobei Fischer Sitzpreiskategorien von 0,50 bis 1,10 Reichsmark anbot sowie zusätzlich ermäßigte Preise für Militärmitglieder, Kriegsverletze und Kinder und bei Märchenvorstellungen (Familienpreise). Kurz vor Kriegsende wurden auch im Fischer Kino deutsche Filme eine ganze Woche lang gezeigt, um den steigenden Mangel an neuen Filmen zu kompensieren. „Entnazifzierung“ des Fischer Kinos Obwohl das Fischer Kino nicht zu den „arisierten“ Betrieben zählte, wurde es, wie alle anderen Wiener Kinos, im Frühling 1945 unter „provisorische Leitung“ gestellt, wobei im Falle dieses Kinos, das als „nazifizierter“ Betrieb galt, erschwerend hinzukam, dass Hans Fischer bereits zum Zeitpunkt des „Anschlusses“ NSDAP-Mitglied gewesen war. Maria Fischer wehrte sich gegen eine solche Übernahme des von ihr geführten Betriebs und bestellte bereits im Sommer 1945 den Wiener Rechtsanwalt Dr. Hans Gürtler, um die langjährige Kinoleiterin gegenüber den Behörden zu vertreten. Wie aus einem Schreiben Gürtlers an den Wiener Magistrat von 4. September 1945 hervorgeht, war Maria Fischer seit 6. September 1940 offiziell Konzessionärin (Inhaberin der Spielbewilligung) des Kinos, obwohl sie selbst nie über eine NSDAP-Mitgliedschaft verfügt habe. Am 31. August 1945 hielt Fischer dazu in einer kurzen Eidesstattlichen Erklärung fest: „Ich erkläre an Eides Statt, dass ich zu keiner Zeit der NSDAP als Mitglied oder Anwärter angehört habe oder als Förderer im Sinne des § 12 anzusehen bin. Ich erkläre ferner, dass ich nie weder schriftlich noch mündlich die Erklärung abgegeben habe, in irgendeinem Zusammenhang mit der NSDAP pder ihren Gliederungen zu stehen.“ Am 4. September folgte eine ausführlichere Darstellung durch Fischers Anwalt, Dr. Gürtler, aus der hervorgeht, dass im August dieses Jahres „ein gewisser Herr Michalek“ – de facto handelte es sich hier um die von Dr. Hans Nord im Juli 1945 eingesetzte Grete Michalek (bzw. auch Marchallek; 4., Wiedner Hauptstraße 67) – vonseiten des Bundes der österreichischen Lichtspieltheater eingesetzt worden war, um das Kino als „provisorischer Leiter“ zu übernehmen. Fischer wehrte sich vehement gegen den Schritt und verlangte vom Bund, dass man die provisorische Leitung ihres Betriebs zur Gänze aufheben solle. Parallel dazu wurde, schilderte Fischer, ihre Tochter von der Polizei einvernommen und sollte dabei gezwungen werden, eine Erklärung zu unterzeichnen, „inhaltlich welcher sie selbst bestätigen sollte, dass ich nicht würdig wäre, das Kino weiterzuführen, da mein verstorbener Gatte Parteigenosse gewesen ist. Da sich meine Tochter weigerte, eine derartige Erklärung zu unterfertigen, erschienen die Herren von der Polizei abends im Kino und gaben zu verstehen, dass sie berechtigt wären, die sofortige Verhaftung durchzuführen, wenn die Erklärung nicht sofort unterschrieben und die Schlüssel übergeben würden. Erst dadurch ließ sich meine Tochter beeinflussen, unterschrieb und folgte die Schlüssel aus.“ Maria Fischer bestellte daraufhin einen Anwalt – und sprach persönlich beim Bund der Lichtspieltheater vor. Ihr vehementes Auftreten hatte Erfolg: Wie aus einem Schreiben des damaligen öffentlichen Verwalters der Wiener Kinos, Dr. Alfred Migsch, an die Wiener Magistratsabteilung VII/3 zu Handen Dr. Friedrich Bramberger von 26. September 1945 hervorgeht, wurde im Falle des Fischer Kinos relativ rasch festgehalten, dass die „gesetzliche Voraussetzung für die Bestellung eines öffentlichen Verwalter“ fehle, und Marie Fischer trat erneut ohne jegliche kommissarische Leitung anderer Personen als Leiterin ihres Kinos ein. Die offizielle Konzession wurde ihr im Dezember 1945 wiederverliehen. Wie rasch sich dieses Kino wieder erholte, geht aus einem Antrag Fischers von Oktober 1945 hervor, in dem sie darum bat, „wegen des großen Erfolges“ die Spieltagegenehmigung zu erweitern und an vier Tagen in der Woche spielen zu dürfen. Frauengeführter Familienbetrieb Das Fischer Kino wurde auch in den folgenden Jahren von Maria Fischer sowie deren Töchtern Monika (Eisenwiener), Johannes (Langenecker) und Gerti Fischer geführt, ehe Maria Fischer 1949 die tagesgeschäftliche Leitung (Geschäftsführung) ihrer Tochter Gerti und 1950 auch die Kinokonzession übertrug, während die beiden anderen Töchter weiterhin als Gesellschafterinnen fungierten. Ab dem 1. Dezember 1954 wurde der Betrieb als „Offene Handelsgesellschaft“ „,Kino Fischer Maria Fischer & Töchter“ geführt, zu der neben Maria Fischer auch deren drei Töchter Monika Eisenwiener (3., Dannebergplatz 10), Johanna Langenecker (14., Liner Straße 83) und Gertrude Fischer (14., Linzer Straße 83) zählten. 1955 heiratete Gertrude Fischer Sepp Kracmer, sodass in den folgenden Jahren Gertrude Kracmer als Leiterin des Betriebs genannt wird. Am 29. Jänner 1962 starb Maria Aloisia Fischer im 77. Lebensjahr nach knapp 50 Jahren Kinoleitung und wurde auf dem Penzinger Friedhof verabschiedet. In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Konflikten mit Mitarbeiter:innen des Betriebs sowie einer Reihe von Kündigungen, im Zuge dessen der deutlich schärfere Ton der neuen Kinoleitung von Gerti Fischer-Kracmer deutlich wurde; 1967 wurde Kracmer angezeigt, nachdem sie eine Reihe von Jugendlichen – darunter Anton Bednar (* 1952) und Erich Keil (* 1951) unerlaubt in einen Film gelassen hatte, der für deren „Altersstufe nicht zugelassen war“. Am 28. März 1970 starb Gertrude Kracmers Ehemann, Sepp Kracmer, im 64. Lebensjahr; noch im selben Jahr trat Gertis Schwester, Johanna Langenecker, geb. Fischer (* 9.7.1910) als Gesellschafterin des Familienbetriebs ihre Pension an; ehe auch Gerti Kracmer bereits 1973 bei der Wiener Pensionsversicherungsanstalt vorsprach. Zu diesem Zeitpunkt war das Fischer Kino bereits in „erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten“, wie aus einem Schreiben von Kommerzialrat Adolf Hauer von der Fachgruppe der Wiener Kinos an Johanna Langenecker von 12. Oktober 1972 hervorgeht. Schließlich gab Gerti Fischer den Betrieb mit Wirkung 30. September 1976 ganz auf; aufgrund der finanziellen Lage wurden die damals immer noch ausstehenden Nachzahlungen im März 1978 heruntergesetzt. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A11: 13. Kino Fischer Wiener Stadt- und Landesarchiv, Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien, A1 – Kinoakten: 32 Kino-Fischer Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A27 - ÖV Kino: K28 Fischer-Kino Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 471, A3/3: 14. Linzer Straße 83 Fischer Kino Wiener Stadt- und Landesarchiv, Fachverband der Lichtspieltheater, A1 – Kinoakten: 52 – Fischer Kino © KinTheTop/Angela Heide zuletzt aktualisiert: 3.1.2024 Zitierweise: www.kinthetop.at/forschung/kinthetop_14_Fischerkino.html, zuletzt eingesehen [Tag.Monat.Jahr] |