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Am 22. März 1920 erhielt der 1887 in Wien geborene, als Invalide gemeldete „Hauptmann in Pension“ Josef Hochstätter die Kinolizenz für das Hütteldorfer „Maxim Bio“, das er, den Angaben seiner Frau aus dem Jahr 1945 nach, bereits im Jänner desselben Jahres eröffnet hatte.

Tonfilm
Auf einem Plan von 3. Juli 1920 ist der schmale, 19,5 mal sechs Meter messende Saal mit 250 Plätzen vermerkt; in einer Aufnahmeschrift des Wiener Magistrats vom 20. Februar 1924 ist das Fassungsvermögen mit 262 Plätzen angeschrieben, am 11. Mai 1925 1925 waren es 274, nachdem der Kinobetreiber eine Reihe seitliches Sitzplätze einbauen ließ.
Die Umstellung auf Tonfilm zog sich über das gesamte Jahr 1930 hin, nachdem Hochstätter zu einer Reihe notwendiger Adaptionen aufgefordert worden war, ehe er erst im Frühjahr 1931 die neue Anlage des Systems „Klangfilm Union“ in Betrieb setzen konnte.

NS-Zeit
Bereits ab 1933 zeigte Hochstätter im Maxim Bio NS-Propagandafilme. So gibt es einen Antrag vom 19. April dieses Jahres, in dem um die Bewilligung angesucht wurde, folgende Filme zeigen zu können: Adolf Hitlers Flug über Deutschland, Das junge Deutschland marschiert und Der Tag von Potsdam. „Bei dem vorbezeichneten Filmtheater liegt ein Inhaberwechsel nicht vor“, hieß es in einem internen Schreiben der Außenstelle Wien an die Reichsfilmkammer in Berlin von 9. August 1940, da das Theater „bereits zur Zeit des Umbruches [!] in der Ostmark (Stichtag 13. März 1938) von den ebenfalls obenbezeichneten Theaterinhaber(n) [Josef und Grete Hochstätter, im Dokument: Hochstetter] betrieben“ wurde.
Die auf den Tag genaue Kalendarische Aufstellung aller Filme für die Monate August 1938 bis Juli 1939 des Ehepaars stellt in der Folge ein außergewöhnliches Dokument dar (kaum ein anderes Wiener Kino legte derart genaue Listen inkl. der für die Filme zu zahlenden Preise vor). Hintergrund für das Vorgehen des Kinobetreiberinnenpaars war dessen Bemühen, das nach den damaligen NS-Vorgaben nur schwer lukrativ bespielbare Kino mit kürzeren Spieldauern der Filme zu entlasten. In mehreren Schreiben – bereits im Frühling 1938 mehrfach persönlich an Dr. Peter Zimmer, ab August 1938 auch mehrmals offiziell an die Härtekommission der Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien – stellte Josef Hochstätter die Lage des Betriebs, der nun auf die Adresse 13., Linzer Straße 403 lief, auf unterschiedliche Weise dar. Schon Ende Mai 1938 hieß es im mehrseitigen Schreiben an Zimmer: „Sie werden einem deutschen Mann und Pg. [!], der Offizier war, gestatten, dass er sein Herz ausschüttet, wenn er in Unrecht gesetzt wird.“ Und weiter:

Es sind in Wien ca. 15 und mehr Kinos, meines inklusive, welche so wie ich auch in der Hauptsaison mehr als 2-mal, meist 3-mal in der Woche Programmwechsel haben, verursacht durch den geringen Publikumsstock in den Vororten.
Wien ist eben eine uralte Stadt mit Vororten wie Hütteldorf, Kaiserebersdorf, Kaisermühlen, Lainz etc., die schon ganz abgetrennt vom Gros der Stadt fast ein Eigenleben führen, uralte ebenerdige Häuser haben mit Gärten, Wiesen u. Wald in der Nachbarschaft, während Berlin als junge Stadt Vororte mit den modernsten Neubauten besitzt – also kein Vergleichsobjekt darstellt. So hat z. B. Hütteldorf selbst kaum 4.500 Einwohner.


Hochstätter legte im Detail die Situation seines Betriebs wie jene anderer vergleichbarer Vorstadtkinos vor, brachte genaue Zahlenbeispiele und betonte, dass selbst Verleihfirmen deren Argumente verstanden. Abschließend ging er noch auf seine eigene Biografie als Kinobetreiber ein und hielt fest:

Ich habe mich fast 20 Jahre auf einem ziemlich sterilen Boden gehalten, meine Verpflichtungen voll erfüllt, meine Angestellten vorbildlich honoriert und stehe mit Ansehen in der Branche. – Als invalider Offizier genieße ich den Schutz unseres Führers, der die Invaliden seine ersten Bürger im Staate nannte. Aus all dem Obengenannten ist zu ersehen, dass es ein großes Unrecht mit nicht absehbaren Folgen wäre, wenn an den bisherigen Grundsätzen der Spieldauer nicht festgehalten werden würde, gerade bei den kleinsten Betrieben, die den meisten Schutz bedürfen.

Auch in seinem Schreiben von 8. August 1938 bat er darum, die Spieldauer nicht, wie vorgesehen, auf mehr als zwei Tage pro Film zu verlängern, da eine solche Verlängerung eine Verminderung der Einnahmen bedeutete und damit für das „knapp innerhalb der Altgrenze Wiens liegende Kino“ eine „ordentliche Betriebsführung unmöglich mache“.
Ein weiteres Schreiben folgte am 16. August, wieder ein neues am 18. August, in dem Hochstätter noch einmal deutlich machte:

Hütteldorf zählt kaum 5.000 Einwohner und [es] wurde auch von der NSDAP in meinem Bezirk bestätigt, dass infolge der geringen Bevölkerungsdichte meinen Standpunkt unbedingt Rechnung getragen werden soll. [...] – eine weitere Verlängerung aber auf fast das 2-3-Fache [der bisherigen 1–2 Tage] hier heraußen ganz an der Peripherie u. als letzter Nachspieler in Hietzing würde unter den jetzigen Verhältnissen wegen der starken Verminderung der Tages- u. Jahreseinnahmen u. Unterbilanzen den Betrieb völlig unrentabel machen.

Wie ein Protokoll der Sitzung von 4. September 1938 nachweist, wurde dem Ansuchen zwar nur teilweise stattgegeben, jedoch im Falle der Maxim Lichtspiele ein „Einzelfall“ dargelegt, von dem man sich zumindest eine kleine Erleichterung erhoffte, in dem man den Fall dem „Präsidenten der Reichsfilmkammer darlegen“ wollte und diesen darum bitten, die „erwiesenen Schwierigkeiten zu berücksichtigen“.
Hochstätter bemühte sich auch in den folgenden Monaten weiterhin um Entlastung für den Betrieb, die jedoch letztlich nur in geringem Ausmaß genehmigt wurde, wie ein Schreiben der Außenstelle von 2. Juli 1940 belegt. Auch im Oktober 1940 hatte Hochstätter seinen Filmwechsel noch nicht geändert, sodass es vonseiten der Außenstelle Wien zu einer diesbezüglichen erneuten Anweisung kam. Wieder ließ der Kinobetreiber nicht locker und bat Dr. Kurt Hammer von der Vermögensverkehrsstelle der RFK, „dass die Vergnügungssteuer in Wien wieder auf das Maß des Altreichs kommt“.
Hochstätters Einsatz hielt auch im folgenden Jahr an, wie aus zahllosen Schreiben und diesen folgenden Sitzungsprotokollen der zuständigen Stellen hervorgeht. So hieß es etwa am 13. August 1941 in einem Schreiben an Josef und Grete Hochstätter von Dr. Hammer: „Ihre ständigen Anträge, die größtenteils immer in der gleichen Richtung laufen und auch in Ihrem Schreiben vom [29.6.1941] mitgeteilten Tatsachen im Zusammenhang mit Ihren Abrechnungsrückständen veranlassen die Außenstelle, die Lage Ihres Theaters neuerdings überprüfen zu lassen.“ Schließlich wurde Hochstätter dahingehend Recht gegeben, zumindest einen Reprisen-Tag pro Woche wieder einführen zu dürfen. Im Dezember 1941 erhielt das Kino schließlich auch das Recht, wieder dreimal pro Woche sein Filmprogramm wechseln zu dürfen, um für das kaum noch vorhandene Publikum attraktiv zu bleiben.
Trotz der in den Korrespondenzen stets betonten prekären Situation des Kinos kaufte im Jahr 1941 das Ehepaar Hochstätter die „Realität, in dem sich das Kino befindet“, wie aus einem Bericht von Grete Hochstätter über die „Rechts- und Firmenverhältnisse“ hervorgeht.
Auch 1942, 1943 und zuletzt 1944 deklarierte sich das Kino als notleidender Betrieb und bestand auf Maßnahmen, die dessen Existenz absichern sollten. In den letzten Kriegsmonaten hatte sich das Filmkontingent jedoch derart reduziert, dass auch kaum mehr besuchte Kinos nur noch einen Film pro Woche beziehen konnten. Zu diesem Zeitpunkt hatte, trotz seiner massiven Proteste dagegen, auch der Maxim-Bio-Betrieb vom dreimaligen auf einen zweimaligen Filmwechsel pro Woche gewechselt, ein nur einmaliger Wechsel, beteuerte Hochstätter mehrfach, hätte das Aus des Kinos schon 1945 bedeutete. Noch am 4. März 1945 erhob der streitbare Bezirkskinoleiter Hochstätter dagegen vehement Stellung und hielt fest: „Als kleiner Betrieb ganz an der Westperipherie Wiens mit geringem Publikumsstock und größerem Spesenetat ist ein Siebentagespielen auch jetzt nicht tragbar.“

Entnazifizierung des Kinos
Aus einem Bericht von 24. September 1945 geht hervor, dass Josef Hochstätter laut einem polizeilichen Bericht bereits ab 1933 illegaler Nationalsozialist, seine Frau Grete ab 1937 bei der NS-Frauenschaft waren. Das Kino gehörte zu diesem Zeitpunkt laut einer mündlichen Aussage Grete Hochstätters zu 1/8 Josef und zu 7/8 Grete Hochstätter, wobei in anderen Unterlagen des Jahres 1945 darauf hingewiesen wurde, dass die Richtigkeit dieser innerfamiliären Besitzverteilung ungeklärt sei. In einem weiteren Bericht der öffentlichen Verwaltung wurde so etwa vermerkt, Josef Hochstätter hätte seine Besitzanteile bereits während der NS-Zeit ganz an seine Frau übertragen. Im Zuge des folgenden Entnazifizierungsverfahrens wurden die ehemaligen illegalen nationalsozialistischen Aktivitäten von Josef und Grete Hochstätter zudem von beiden abgestritten: Bereits im September 1945 legte Hochstätter über seinen Anwalt Berufung gegen die öffentliche Verwaltung ein und hielt fest, dass er erst ab 1938 Anwärter und erst ab 1941 Parteimitglied gewesen sei, die Behauptung, er wäre illegales NSDAP-Mitglied gewesen, insofern nicht der Wahrheit entspreche. Die Verhandlungen zogen sich bis in den Frühling 1947. Schließlich wurde mit Bescheid von 9. Juni 1947 die öffentliche Verwaltung abberufen und Josef und Grete Hochstätter wieder als Eigentümer:innen eingesetzt. Als Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Mehrheitseigentümerin (7/8) Grete Hochstätter „nicht registrierungspflichtig“ gewesen sei und ihr Mann, Josef Hochstätter, zwar Parteimitglied gewesen sei, in seinem Fall jedoch – als Kriegsinvalider der Verkehrsstufe III – nach dem neuen Verbotsgesetz 1947, § 17, Abs. (4) eine Ausnahme von der Sühneplicht geltend gemacht werden konnte. Damit ging das Kino an das ehemalige NSDAP-Mitglied Josef Hochstätter und dessen Frau zurück.
Am 2. Juni 1948 erhielt Grete Hochstätter trotz ihrer nachweislichen NS-Aktivitäten erneut die Kinokonzession für das Maxim Bio verliehen, und die öffentliche Verwaltung wurde abberufen.

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Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A11: 13. Hütteldorfer-Maxim-Bio
Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A27 - ÖV Kino: K60 Maxim-Filmtheater
Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 471, A3/1: 14. Linzer Straße 403 Maxim Film-Theater
Wiener Stadt- und Landesarchiv, Fachverband der Lichtspieltheater, A1: 141 Maxim-Kino

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© KinTheTop/Angela Heide zuletzt aktualisiert: 2.2.2024 Zitierweise: www.kinthetop.at/forschung/kinthetop_14_Maximkino.html, zuletzt eingesehen [Tag.Monat.Jahr]