Gartenbau-Kino (seit 1919)
Parkring 12 (vormals: Kaiser-Wilhelm-Ring 12)
1010 Wien

1919 suchte die „Gesellschaft vom Österreichischen Silbernen Kreuze zur Fürsorge für heimkehrende Reservisten“ (auch: Verein „Gesellschaft vom Silbernen Kreuz“ oder Verein vom „Silbernen Kreuze“, 1., Bäckerstraße 8, ab November 1919 1., Schönlaterngasse 9) darum angesucht, das bisher von ihr an der Adresse 1., Wollzeile 7, betriebene „Kreuz Kino“ mittels Lizenztransfer zu verlegen.
Neuer Standort sollte das Gebäude der Gartenbaugesellschaft, 1., Kaiser-Wilhelm-Ring 12, werden, das Kino den neuen Namen „Gartenbau-Kino“ tragen. Die Genehmigung wurde erteilt, das Kino errichtet und die Lizenz in den folgenden Jahren immer wieder erteilt.

Am 2. Juni 1925 zeigte die Wiener Kiko-Film Aktiengesellschaft, 7., Mariahilfer Straße 88a („Zitahof“), im neuen „Gartenbau-Kino“ die Uraufführung des Films Ein Sommernachtstraum und ließ den Raum dafür eigens dekorieren.
Im September 1925 protestierte der Geschäftsführer des Kinos gegen die geplante Lagerung von „4.000 Liter Benzin“ und die „Errichtung einer Zapfstelle aus der der Weihburggasse gegenüberliegenden unbebauten Realität“ durch die Firma Eberth & Co. A.G.
Im selben Monat wurden im Gartenbau-Kino bewegliche „Reklamophonsäulen“ der „Reklamebetriebsgesellschaft Gabriel & Co.“ (1., Schottenring 14) errichtet. Diese Säulen wurden auch in mehreren weiteren Kinos geplant (2., Taborstraße 8; 3., Löwengasse 33; 3., Ungargasse 60; 7., Mariahilfer Straße 120; 9., Liechtensteinstraße 37).

1926 wurde unter dem Kino im Tiefgeschoß der Gartenbaugesellschaft ein Blumenmarkt errichtet und für das Kino selbst ein „aus Holzziegel hergestellter Umwickelraum“ geplant.

Im September 1926 ersuchte die Gesellschaft vom Österreichischen Silbernen Kreuze im Zuge des Inkrafttretens des neuen Wiener Kinogesetzes in diesem Jahr um die Umwandlung der bis dahin erteilten „Kino-Theater-Lizenz“ in eine „Konzession von gleicher Geltungsdauer an“. (Die Erteilung eine Konzession war insofern wichtig, als dies zum einen hieß, dass auch Einnahmen an die Lizenzinhaber abgeführt werden mussten, zum anderen war es wichtig, dass der Betrieb eine eigene Lizenz erwarb, da im selben Jahr auch die KIBA, die Wiener Kinobetriebsgesellschaft, entstand, die in vielen Fällen in den kommenden Jahren als Lizenzinhaber wirkte – und somit einen großen Teil der Einnahmen aus verpachteten Kinobetrieben für sich erzielen konnte.)

In dem Schreiben vom 20. September 1926 wurden auch der Geschäftsführer und die „Eigentümerin des Betriebes“ genannt: Ersterer war der 1868 in Wien geborene Direktor der Gesellschaft, Alexander Biczo, der bereits seit der Eröffnung des Kinos am 10. Oktober 1919 in dieser Funktion tätig war, andererseits –  als dessen Stellvertreterin und zugleich Eigentümerin (d. i. Pächterin) – „Frau Marianne Domansky, wohnhaft Wien 1., Parkring 12, geboren zu Wien am 1. Dezember 1875, zuständig nach Wien, verwitwet, katholisch“.

Der 1871 in Starvičska bei Brünn geborene Wiener Militärkapellmeister Ludwig Domansky, der u.a. gemeinsam mit seinem Bruder Ferdinand als die „Brüder Domansky“ bekannt geworden war, war Pächter des Saalgebäudes gewesen hatte zuletzt am 1. Jänner 1926 mit der konzessionsinhabenden Gesellschaft eine Vereinbarung auf 15 Jahre abgeschlossen. Im gleichen Jahr erwarb Domansky zudem das neue „Kollosseum Kino“ (1090 Wien).
Doch am 22. März des Jahres starb Ludwig Domansky plötzlich mit nur 55 Jahren.
Seine Witwe übernahm in Folge alleine das geschäftliche Risiko sowie die aufrechte Vereinbarung mit der Lizenzinhaberin (= der Gesellschaft), wie aus einem weiteren Schreiben der Gesellschaft vom Österreichischen Silbernen Kreuze vom 25. September 1925 ersichtlich wird. Geschäftsführer und Pächterin hatte in der Folge den Prozentsatz von „eins zu hundert“ an die Lizenzinhaberin (= die Gesellschaft) abzuführen.
Wie wichtig Lizenz und Einnahmen für die Gesellschaft vom Österreichischen Silbernen Kreuze waren, geht aus dem Schreiben von 20. September 1926 hervor:
„Der Besitz einer Kinokonzession würde es der Gesellschaft durch die Einnahmen aus dem Gartenbau-Kino ermöglichen, ihre volkswirtschaftlichen und kulturellen Aufgaben restlos durchzuführen. Die Tendenz der Österreichischen Gartenbaugesellschaft, welche im Jahr 1927 ihr 100-jähriges Bestandsjubiläum feiert, bietet genügend Bürgschaft dafür, dass das Betriebsergebnis gemeinnützigen Zwecken zugutekommt, was ja in erster Linie zu berücksichtigen wäre.“

Anders sah dies der Bund der österreichischen Lichtspiel-Theater (6., Mariahilfer Straße 57−59), wie aus einem Schreiben vom 24. September 1926 hervorgeht, in dem darum gebeten wurde, Marie Domansky die Konzession zu verleihen. Darin heißt es: „Der bisherige Lizenzinhaber ‚Silbernes Kreuz‘ hat in das Unternehmen finanziell nie etwas eingebracht und ist nicht im [G]eringsten an der Einrichtung, Mietrecht etc. beteiligt. Der genannte Verein behindert durch seine Einflussnahme, welche vertraglich festgelegt wurde[,] die Programmierung in Ausübung seiner rückständigen Tendenzen, sodass öfters gerade zugkräftige Filme nicht gebracht werden dürfen.“
Trotz dieses Schreibens wurde die Konzession schließlich an die „Gartenbau-Gesellschaft“ übertragen und auch einer weiteren Berufung der Besitzerin nicht stattgegeben.
1928 wurde der Umwickelraum umgebaut und ein neuer verantwortlicher Geschäftsführer in den Unterlagen genannt: Adalbert Kern folgte Alexander Biczo; ab September trat an seine Seite als Stellvertreter „der ho. Saalaufseher Karl Kaps, Bds.Bahnoffizial, geboren zu Wien, am 1. April 1976, wohnhaft Wien II., Mayergasse No. 3“, der auch während eines folgenden Kuraufenthaltes von Marianne Domansky als deren Vertretung fungierte.

Am 21. Dezember 1929 wurde vonseiten der Direktion der Einbau eine Tonfilmanlage beantragt, im Frühling 1930 wurde die Verpachtung an Marianne Domansky erneut bewilligt sowie die Kollaudierung der Tonfilmanlage abgeschlossen.
Ein vom Stadtbaumeister Barak & Czada (7., Neubaugasse 33) erstellter Farbsitzplan des Kinos von 7. Oktober 1930 verweist auf eine damalige Gesamtzahl von insgesamt 496 Plätzen hin, davon 385 Klappsitze und 111 Logensitze.

Bis in die Dreißigerjahre hinein steht auf dem Briefpapier des Gartenbau-Kino der Vermerk „Direktion: Ludwig Domansky“. Erst in einem Schreiben vom 3. November 1934 steht auf dem Briefkopf „Direktion: Marianne Domansky“. Angezeigt wurde in diesem Brief „eine Gedächtnisfeier für den verewigten Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß laut beiliegende[m] Programm“ seitens der Österreichischen Gartenbaugesellschaft am 11. November 1934 um 11 Uhr vormittags.
Ein besonderes Ereignis war in diesen Jahren u. a. die Premiere von Opernring mit Jan Kiepura, der ‒ wie im Film ‒ vor dem Kino auf dem Dach eines Autos seine Arien sang und zu einem wahren Massenauflauf in Wien führte.

Das heute noch existierende Kino beeindruckt immer schon mit seiner größten Filmleinwand der Stadt Wien. In den 1950er-Jahren zeigte man auch hier, ebenso wie im Apollo, Weltspiegel und Tabor Kino, Filme in 70mm-Projektion.

1960 wurde das Kino renoviert und bei der Neugestaltung die Balkone entfernt. Der bei der Neugestaltung des Kinos und der gesamten Gartenbaugründe (1959‒1962) durch die Baugesellschaft Porr, Architektur: Erich Boltenstein, Robert Kotas (gest. 1952) und Kurt Schlauss, geplante 42 m hohe „Gartenbau Turm“ neben dem Kino wurde hingegen nicht realisiert.

Das Kino blieb auch in den kommenden Jahren eines der klassisch gewordenen großen Wiener „Premierenkinos“. Heute wird das Gartenbau Kino von der ENTUZIASM Kinobetriebs GesmbH (im Verbund mit der Viennale) geführt.

Fassungsraum altes Kino
(quadratischer Raum mit Balkon)
477 (1922)
482 (1923)
492 (1930)
500 (1934)

Fassungsraum neues Kino (seit 1960)
736 (2019)


Quellen
Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A11, 1., Gartenbau-Kino
Werner Michael Schwarz: Kino und Kinos in Wien. Eine Entwicklungsgeschichte bis 1934. Wien: Turia & Kant 1992, S. 187.
www.gartenbaukino.at


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