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Orendihof
Das Gebäude, in dem sich zuerst die Residenzbühne befand und später die bis heute existierenden Kammerspiele gegründet wurden, war der 1909/1910 von Arthur Baron erbaute Orendihof – aufgrund seiner prägnanten modernen baulichen Entscheidungen rasch als „Residenzpalast“ bekannt- an der Ecke von Rotenturmstraße und Fleischmarkt 1, in dem sich neben von Beginn an dem Theater auch ein Gasthausbetrieb und das Rotenturmkino befanden.

Residenzbühne
1910 wurde im Neubau die Residenzbühne nach einem Entwurf von Franz Freiherr von Krauss und Josef Tölk erbaut. Gründer des Theaters, das aufgrund seines zeitgenössischen literarischen Spielplans rasch als „Kammerspiele“ bekannt wurde, war der Schauspieler Julius Strobl. Strobl war in Bruck an der Leitha geboren worden, hatte dann am Deutschen Volkstheater gespielt, war 1892 in die USA gegangen, wo er Ensemblemitglied des Irving Place Theatre wurde und zahlreiche Tourneen absolvierte, jedoch 1900 wieder nach Europa zurückgekehrt, wo er zuerst in Berlin und zurück in Wien am Raimundtheater und am Theater in der Josefstadt auftrat. 1910 reichte er beim Statthalter sein neues Theaterkonzept ein, bei dem es sich – ähnlich wie beim Danzer Orpheum bzw. der Neuen Wiener Bühne – um eine „erweiterte Singspielkonzession“ handelte, in diesem Falle vor allem um moderne Kammerstücke vor allem internationaler Autoren. Strobl fand im vermögenden Schauspieler Mario Rella, dem Sohn des Bauunternehmens Rella und Neffen, einen Geldgeber und Partner und erhielt im Juni 1910 seine Singspielkonzession „mit der erweiterten Berechtigung zur Aufführung von Singspielen, Balletten und Pantomimen mit mehrmaligem Szenen- oder Dekorationswechsel bei Verwendung eines Schnürbodens und ohne Benützung von Versenkungen, ferner von dramatischen Stücken ohne Gesang mit mehrmaligem Szenenwechsel“.

Größe und Gestaltung
Das neue Theater fasste rund 500 Personen mit wenigen Logen und Cercle-Sitzen sowie acht Parkettreihen und Sitzen im ersten Rang. Am 14. Oktober wurde das Theater mit einen Prolog von Paul Wertheimer eröffnet und Ossip Dymows Schauspiel Treue eröffnet. Es folgten Stücke von Wedekind, D’Annunzio, Robert Misch, Rudolf Strauss, doch der Erfolg blieb aus, Rella übernahm die Deckung der Schulden, und nur ein Jahr nach der Eröffnung schied Strobl aus dem Betrieb aus und Rella übernahm die Konzession. Rellas Stellvertreter und Theatersekretär wurde Alexander Rotter.

Rella eröffnete seine Direktion am 7. September 1912 mit einem Maeterlinck-Abend, doch schon bald folgten eher leichte Stücke, darunter von Gabriele Zapolska, Karl Ettinger und G. J. Jennings, aber auch Franz Theodors Csokors Tragikomödie Letzte Spiele. Obwohl das erste Spieljahr überaus erfolgreich anlief, konnte sich Rella in der folgenden Spielzeit nicht mehr halten, vor allem die politischen Ereignisse überschatteten von nun an jede Programmierung, der allgemeine Theaterbesuch wurde lange vor Kriegsbeginn in ganz Wien wesentlich geringer, das Erbteil für den Erhalt der Bühne ausgeschöpft.

Da ergab sich die Möglichkeit, mit der „Wiener Freien Volksbühne“ zu fusionieren, deren Plan, ein Theater im achten Bezirk zu gründen, sich zerschlagen hatte und die Räume in der Neubaugasse zu klein geworden waren. Rella blieb nominell weiterhin Direktor (Konzessionär) der Residenzbühne, sein neuer Stellvertreter wurde aber mit Dr. Arthur Rundt der Direktor der Volksbühne, Dramaturg war Herbert Ihering. Die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen der Volksbühne wurden als Betriebsmittel in das Theater eingebracht, die Schauspieler der Volksbühne spielten von nun an an beiden Häusern.

Ab dem Jahr 1913 finden sich im Bestand des Wiener Stadt- und Landesarchivs Dokumente über jährliche Revisionen der Singspielhalle „Residenzbühne“.

Eröffnet wurde in der neuen Intendanz am 12. September 1913 mit Thaddäus Ritters Der Mann im Souffleurkasten, es folgten Stücke von Bahr, Sternheim, Strindberg und Sascha Guitry; zu einem „Kassenschlagern“ wurde vor allem Bahrs Prinzip, zu den Publikumslieblingen zählten Ernst Deutsch, Alfred Neugebauer, Herbert Hübner, Oskar Sima, prominente Gäste waren Helene Thimig und Albert Steinrück. Doch trotz des anhaltenden Erfolgs musste die Volksbühne mit Kriegsbeginn ihre Tätigkeiten beenden.

Rundt blieb vorerst Direktor der Residenzbühne, eröffnete das Theater im November 1914 noch einmal, doch schon im Februar 1915 trat Rundt aus dem Betrieb aus und übernahm das Wiener Colosseum, während Rella seinerseits als Oberleutnant im Kriegsdienst stand und daher keine Wiener Theateraktivitäten vorantreiben konnte. In einem engen Freund fand Rella vorerst Unterstützung vor Ort, dem Schauspieler Anton Berger, die finanzielle Gebarung wollten Rellas Schwestern, Sylvia Gräfin Palffy und Ada Zeiß, übernehmen. Doch auch Berger blieb nur kurze Zeit. Ihm folgte der 1879 in Deutschland geborene Alfred Bernau, der bis dahin Intendant des Mannheimer Hoftheaters gewesen war. Bernau (eig. Alfred Heinrich Breidbach) pachtete das Theater und stieg als dessen Stellvertreter in Rellas Konzession ein. Rella, der ab 1915 nichts mehr mit dem Theater zu tun hatte, erhielt auch in den folgenden Jahren die Konzession, während Bernau, das Theater mit gutem Erfolg auch während der Kriegsjahre führte, erst 1919 die offizielle Konzession, während ihm von den Hauseigentürmern die Pacht für das Theater bis 1922 verlängert wurde.

Wiener Kammerspiele
Bernau, der das Theater im Jahr 1916 offiziell in „Wiener Kammerspiele“ umbenannte, brachte Stücke von Holberg, Björnson, Emil Ludwig, Artur Hollitscher, Strindberg, Leo Birinski (nach Dostojewski) und erneut von Gabriele Zapolska, deren Stück Die Warschauer Zitadelle zu einem Serienerfolg wurde. An Jarno angelehnte hochkarätigere „Literarische Nachmittage“, die Bernau 1917 einführte, fanden jedoch bald schon wieder ein Ende. Zum Ensemble des Hauses gehörten unter anderen Kurt von Lessen, Egon Friedell, Jakob Feldhammer und Jürgen Fehling.

Im März 1918 wurde Bernau vom Verein Deutsches Volkstheater als Nachfolger Karl Wallners zum neuen Intendanten des Deutschen Volkstheaters gewählt. Er nahm die Residenzbühne mit in den neuen Betrieb und führte diese mit Erfolg bis 1924 als weiterhin niveauvoll programmierte Zweitbühne des Deutschen Volkstheaters weiter. 1922 kam es zu Ausschreitungen, als hier Schnitzlers Reigen zum ersten Mal gezeigt wurde.

Doch im Zuge der Umstellung auf die Schilling-Währung, Inflation und steigender Armut in der Bevölkerung geriet in diesem Jahr zahlreiche Theater in eine finanzielle Krise, und Bernau wurde trotz seiner hervorragenden Leistungen in den Jahren seiner Intendanz aus dem Volkstheater entlassen. Damit wurden auch die Kammerspiele wieder aus dem Verbund mit dem Volkstheater gelöst und von nun an in Form einer vor allem künstlerisch-programmatischen Interessengemeinschaft mit dem im Jahr von Bernaus Abgang vom Volkstheater neu eröffneten Theater in der Josefstadt in den Intendanz Max Reinhardt weitergeführt.



Vom der Kammerspielbühne zur Unterhaltungsbühne
Ab 1926 war Franz Wenzler Konzessionär und künstlerischer Leiter der Kammerspiele, an denen er in den folgenden vier Jahren immer wieder revueartige Unterhaltungsstücke herausbrachte, die vor allem mit ungewöhnlichen Bühnensettings und das Einbinden des Publikums Erfolge zu erzielen hofften.

1928 wurde anlässlich der Revue Jetzt oder nie darum gebeten, für die auftretenden „Schauspieler und Girls den Bühnenstrich sechsmal zu überschreiten, d. h. von der Bühne in den Zuschauerraum und umgekehrt zu gehen“. 1929 wurde mehrfach auf Generalproben hingewiesen, die an den Vormittagen im Haus stattfinden, u. a. für Produktionen Rutschbahn (Premiere 11. Februar), Dreimal Moser (Premiere 27. Februar), Weekend im Paradies (Premiere 30. März), Höher geht’s nimmer (Premiere 30. Juni), Der Bucklige (Premiere 23. Juli), Unter Geschäftsaufsicht (GP 7. September), Frau Lohengrin (GP 27. Dezember). Am 6. April fand ein Tanzgastspiel mit Trude Godwyn, Stella Mann und Gerda Mare satt; am 30. Juni eine Matinee mit Lesung von Schalom Asch. Noch im Dezember des Jahres legte der damalige Direktor Franz Wenzler den Antrag vor, für das Stück Die Wunder-Bar die Bühne in Teilen in den Zuschauerraum zu verlegen, und begründete seinen Antrag folgendermaßen:

„Das Stück Die Wunder-Bar schreibt zwingend als Schauplatz eine Bar des Nachtlebens vor. In dieser Bar erfüllen sich die Schicksale einer Reihe von literarisch durchkomponierten Charakteren, die in der Form ihres Ausdruckes die letzte Unmittelbarkeit auf den Zuschauer beanspruchen. Diese Unmittelbarkeit, die die Voraussetzung dieses neuartigen Genres ist, kann in der bisher herrschenden Guckkastenbühne nicht erzielt werden, da diese dem Zuhörer immer die Illusion des Entferntgeschehens gibt. Die neue Form dürfte mit der Bühne im Zuschauerraum, die keine 4. Wand mehr aufweist, restlos gefunden sein.“

Die darauffolgende Begehung der Wiener Theaterkommission brachte jedoch derart hohe Auflagen, dass Wenzel am 16. November Berufung dagegen einbrachte mit dem Argument, dass die Erfüllung aller Punkte „mit unerträglichen Kosten verbunden wären“ und er vor allem den rund 57 Personen gegenüber, die am Haus beschäftigt waren, derart hohe finanzielle Verpflichtungen nicht übernehmen könne, da sonst deren Gehälter nach einem „schwer verlustreichen Sommer“ nicht mehr zu bezahlten wären. Wenzel bat vor allem um die Verlängerung der Fristen auf unbestimmte Zeit. Die baulichen Veränderungen wurden in den folgenden Wochen vorgenommen, doch im Februar 1930 wurde festgehalten, dass noch einer Reihe von Bedingungen noch nicht entsprochen werde könne. Dennoch konnte noch im Februar 1930 die Premiere des Stückes stattfinden, wie aus einem Dienstzettel von 27. Februar hervorgeht, in dem darüber Klage geführt wurde, dass die meisten Besucher:innen der Revue rauchten und „die Zigarettenstummel auf den Boden warf[en“ sowie mit Papierschlangen geworfen wurde, die jedoch nichts zur Verbesserung der „sonst recht bescheidenen Qualität des Stückes“ leisteten und daher „unbeschadet der Gesamtwirkung ruhig wegbleiben“ könnten.

Nachdem Wenzels Konzession für den Betrieb 1930 erneut verlängert wurde, bat er im September erneut um bauliche Veränderungen. So sollte für das Stück Wie werde ich reich und glücklich aus „regietechnischen Gründen“ ein Podium errichtet werden, das direkt an die „Normalbühne“ anschloss. Nachdem die Theaterkommission erneut eine Liste an Maßnahmen vorlegte, die dafür getroffen werden mussten, konnte die Premiere noch im September. Im Oktober folgte Die Causa Kaiser, am 14. November Intermezzo im Zirkus, für das neuerlich der Theaterraum umgestaltet werden musste und unter anderem eine Hängebrücke für zwei Personen eingebaut wurde.

Bald schon war Wenzel in massiven finanziellen Schwierigkeiten, die eine Reihe von gerichtlichen Schritten nach sich zog, um die Mitglieder des Theaters zumindest teilweise finanziell zu entschädigen, und musste den Spielbetrieb einstellen, wie aus einem Schreiben des Hauseigentümers, Max Schweinburg, an den Magistrat der Stadt Wien (Abt. 52) aus dem März 1931 hervorging, der um eine dringliche Kommissionierung des Betriebs bat, um diesen in neuer künstlerischer Leitung wiedereröffnen zu können.

Ein Antrag um Erteilung der Konzession für diesen Betrieb von Oskar Donath aus dem März 1931 wurde von diesem selbst kurz darauf wieder zurückgezogen. Schließlich beantragte Max Schweinburg, 1., Rotenturmstraße 27, selbst die Zuerkennung der Theaterkonzession.

Nebenbühne des Volkstheaters
Die Wiedereröffnung des Theaters fand am 18. September 1931 statt, neuer künstlerischer Direktor war Dr. Rudolf Beer, der das Theater als zweite Spielstätte des von ihm seit 1924 geleiteten Deutschen Volkstheaters übernahm. Als Eröffnungsproduktion wählte man den Schwank Dienst am Kunden mit Publikumsliebling Curt Bois als Gast; bereits am 20. September folgte mit dem Schwank Die spanische Fliege die erste Nachmittagsvorstellung im wiedereröffneten Haus in der Rotenturmstraße.

Im Dezember 1931 hatte das Lustspiele Lauter Achter und Neuner Premiere. Als Silvestervorstellungen wurden drei Einakter angesetzt: Vier – Fünf – Sechs, Goethe und Das Bett Napoleons. Im Jänner 1932 zeigte man hier vorerst das Lustspiel Junge Liebe und, nach einer kurzen Einstellung des Spielbetriebs, das „Repertoirestück des Deutschen Volkstheaters Jemand, ein Spiel in drei Akten von Franz Molnár mit Leopold Kramer und Sybille Binder“ sowie die „Uraufführung des dreiaktigen Schwanks Bidgemama mit Gisela Werbezirk“. Im Februar folgten Freiwild und die Einakter Lottes Geburtstag, Komtesse Clo und Goethe, im März der Schwank Der Mustergatte, im April Die vertagte Nacht und 2. Stock, Tür 19. Im Mai fand eine Studioaufführung der Elevenschule des Deutschen Volkstheaters statt, bei der „ein dramatischer Versuch in 6 Bildern Gitter“ zur Aufführung kam.

Schon im Sommer 1932 wurde ein neuer künstlerischer Leiter bestellt: der Wiener Schauspieler und Regisseur Aurel Novotny (17., Promenadengasse 51).

Zu seinen ersten Premieren zählte Ende August das „dreiaktige Märchen Essig und Öl“. Im September zeigte man die Uraufführung von Wer wirft den ersten Stein? von Robert Peiper in der Regie Heinz Schades und mit Martha Auffärber, Lilly Walter, Karin Sylva-Ronay, Emmy Kapper, Lisl Heiner, Gerty Unger, Hans Wlasak und anderen. Essig und Öl, das zu einem Publikumshit wurde, wurde in der Folge noch mehrere Monate lang am Haus gespielt. Im November brachte man Erich Kästners Pünktchen und Anton, im Dezember Curt Goetz' Ingeborg und weiterhin Essig und Öl als Nachmittagsvorstellung. Ende Dezember 1932 fand die Premiere von Bonyis Ein kleiner Niemand statt, für das aufgrund der großen Besetzung die Bühne erweitert werden musste, während das Kinderstück Pünktchen und Anton noch bis in den Frühling 1933 auf dem Programm des Hauses stand. Die Silvestergala dieses Jahres trug den Titel Gemischter Silvester-Salat. Im Februar wurde Fritz Hochwälders Jahr gezeigt, im März fand die Premiere von Die Geschäfte der Fürstin Bovetto statt, im April Die Dame auf dem Titelblatt, im Mai Musik um Susi.

Mit Ende der Spielzeit beendete auch Novotny seine Leitung an diesem Haus.

Bühne des Lachens
Ab 1933 findet sich im amtlichen Schriftverkehr die Bezeichnung „Kammerspiele – Die Bühne des Lachens“.
Publikumsliebling Kurt Robitschek war im September diesen Jahres in Geza Herczegs Stück Wiener Illustrierte zu sehen. Im Oktober folgte ein Ensemblegastspiel des Theaters in der Josefstadt mit Ist Geraldine ein Engel, mit dem auch die Silvestergala dieses Jahres absolviert wurde, im November Liebe, kleine Bosheiten.
Im Februar wurde das Lustspiel Pech muss man haben gezeigt, im März gastierten die English Players im Rahmen einer dreitägigen Nachspielserie.
Im August 1933 gastierte erneut das Theater in de Josefstadt mit dem Stück Ende schlecht, alles gut und läutete damit die neue Saison ein.

Im August 1933 reichte Kurt Robitschek um die Konzession für die Kammerspiele ein. Gegen die Bewerbung des beliebten Schauspielers sprachen sich sowohl der Deutschösterreichische Bühnenverein wie auch die Union des Bühnen- und Kinopersonals Österreichs aus, sodass am dieser Spielzeit Robitschek als neuer Konzessionär angeführt wurde.

Im März 1934 wurden Die schöne Galathée und Elisabeth von England gezeigt, im April Der Verschwender sowie die Uraufführung des Lustspiels Wo war ich heute Nacht? – ein Gastspiel des Raimundtheaters. Am 1. Mai fand die Premiere von Der Mann Ja – die Frau Nein? statt, während die erfolgreiche Raimundtheater-Produktion weiterhin in Nachmittagsvorstellungen gezeigt wurde.

Robitschek, der kurz danach, spätestens aber wohl im April 1934 emigrierte, ernannte mit Schreiben vom 13. April 1934 Julius Wiesner als seinen Stellvertreter, der ihn von nun an in seiner Abwesenheit vertreten würde, die offizielle Ernennung des am 17. September 1888 in Brünn geborenen neuen Leiters (9., Porzellangasse 19) erfolgte am 5. Mai 1934 und galt bis zum Ende der laufenden Konzession Robitscheks.


Kammerspiele
Ab Dezember 1934 leitete der 1876 in Schwerin an der Warthe geborene Schauspieler Erich Ziegler (1., Kärntnerging 15), das Theater.
Auch die Signatur des Theaters änderte sich von nun an – aus dem Theater der Komiker wurde erneut schlicht „Kammerspiele“, die Direktion wurde von nun an wieder genannt: Erich Ziegler. Eröffnet wurde mit Grabbes Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung, gefolgt von Strindbergs Rausch, Barbara Boschs Ein glückliches Leben, dem Lustspiel Kiebitze, einem Gastspiel des Wiener Publikumslieblings Gisela Werbezirk in Die führende Marke im Jänner und im Februar 1935 dem Schwank Da stimmt was nicht!.
Im Jänner fand zudem ein Gastspiel Felix Bressarts in der Komödie Bouleboule gewinnt! von Garai und Arvay statt. In der Regie von Martin Wagner traten damals neben Bressart auch Dagny Servaes, Georg Tauber, Robert Valberg, Josef Zechell, Peter Preses und Sidonie Lorm an den Kammerspielen auf.

Ende Februar wurde im Vorfeld der Farkas-Grünbaum-Revue Bediene Dich selbst! darum gebeten, den einst erbauten und später wieder geschlossenen Orchesterraum erneut öffnen zu dürfen. Die beliebte Revue wurde in den folgenden Wochen mehrfach, unter anderen auch im Rahmen von Nachtvorstellungen, wiederholt, im April folgte, ebenfalls in einer Nachtvorstellung der Gruppe Lönner, ein Gastspiel mit Louis Bacatas Ballade um das Mädchen Jaggy.

Im Juni 1935 wurde Ziegels Konzession verlängert, am 15. Juni fand die letzte Vorstellung des Saison statt: Die gestohlene Revue.

Für die Wiedereröffnung im August 1935 konnte Ziegel erneut eine Revue von Karl Farkas und Fritz Grünbaum programmieren: Mit Theater zu verkaufen! wurde am 21. August 1935 die neue Spielzeit eröffnet. Die Silvestergala dieses Jahres sah einen Bunten Abend mit unterschiedlichen Programmpunkten vor.

Für die Aufführung von Achtung – Großaufnahme wurde Anfang 1936 die Verwendung von Schmalfilmen genehmigt. Doch obwohl die Produktion vom Publikum gut angenommen wurde, war es für die kleine Bühne zu kostenaufwändig, sodass sich Ziegler im Februar gezwungen sah, „im Einvernehmen mit dem gesamten Ensemble und dem technischen Personal […] die Vorstellungen dieses Stückes mit dem gestrigen Tag abzubrechen“, hieß es am 5. Februar 1936 in der Rubrik „Theater und Kunst“ eines erhaltenen Zeitungsausschnittes des Wiener Magistrats.

Im März dieses Jahres fanden im Rahmen eines Messegastspieles von Fritz Grünbaum und Karl Farkas Vorstellungen der Revue Wohin, kleines Fräulein? statt. Am 24. März hatte das „Wiener Stück Mischehe“ von Leopold Hichler Premiere, es spielten Jakob Feldhammer, Charlotte Waldow und Karl Forest.


Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt
Ziegler beendete in diesem Jahr seine künstlerische Direktion und ging erneut nach Deutschland – das Briefpapier blieb vorerst das alte, nur dass man in den kommenden Monaten schlichtweg seinen Namen ausstrich und das Theater von nun an „Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt“ nannte. Eröffnet wurde im Oktober mit Liebe eines Fremden; im November und Dezember zeigte man das musikalische Lustspiel Der schiefe Hut und Fräulein Else.

Ab diesem Zeitpunkt änderte sich auch die Adressleiste im Schriftverkehr und wurde von nun als „Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt“ korrespondiert. Im Jänner 1937 wurde Backhendl gezeigt.

Nach Saisonende kam es zu einer erneuten Konzessionsvergabe: Ab September 1936 hatte Josef Santner (13., Eduard-Klein-Gasse 31), die Konzession für die Kammerspiele des Theaters in der Josefstadt inne.

Im Jänner 1937 wurden weiterhin der Publikumshit Backhendl sowie Edouard Bourdets Feine Gesellschaft gespielt, im Sommer wurde Santners Konzession anstandslos verlängert.

Die neue Spielzeit wurde am 21. September 1937 mit Rovina von Jon Baines begonnen.
Zu Silvester 1937 zeigte man – nach einem „Festspielzyklus“, im Rahmen dessen an sechs Abenden Gorkis Nachtasyl gezeigt wurde – Frühlingsfieber von Stephan Bekeffy und Adorjan Stella.
Frühlingsfieber blieb auch im Jänner 1938 auf dem Spielplan, im Februar wurde Der Arzt am Scheideweg gezeigt, gefolgt von Mondnächte, das bis in den März 1938 hinein gespielt wurde.

In den Akten des Wiener Magistrats ist nichts vom „Anschluss“ im März dieses Jahres zu spüren. Im April wurde die Premiere von Das Paradies von Andree Birabeau angesetzt, gefolgt vom Niederländischen Urfaust.

NS-Zeit
Erst ab 1939 finden sich im Schriftverkehr eine neue Leitung des nun als „Kammerspiele – Theater in der Rotenturmstraße“ firmierenden Theaters – Hanns Schrott-Schöbinger, 19., Himmelstraße 43 – sowie der Schriftzug „Heil Hitler!“.
Im Juli 1939 wurde der Fassungsraum von 500 auf 595 Sitze wesentlich vergrößert, in dem eine Galerie „zum Zwecke der Gewinnung mehrerer billiger Sitz-Kategorien“ errichtet und ein weiterer Ausgang durch Einbeziehung des Lokals Ecke Rotenturmstraße und Steyrerhofgasse eingebaut wurden.
Auf dem Spielplan stand im März 1939 Lisa, benimm Dich von Friedl Czepa.
Im Mai 1941 beschwerte sich der kommissarische Zellenleiter der NSDAP Emil Stephan in einem handschriftlichen Schreiben an die Gemeindeverwaltung, dass die Sitzplätze nun so eng seien, dass er und andere Volksgenossen keinen Platz hätte und auch nichts von der Bühnen sehen würden. Der daran angeschlossene Verhandlungsakt zog sich wohl über mehrere Monate.
Trotz mehrfacher Ermahnungen, nicht erledigte Adaptionen durchzuführen, wurde Schott-Schöbinger auch 1942 noch einmal als nunmehriger „Betriebsleiter“ bestätigt. Das letzte erhaltene Dokument im Konvolut M.Abt. 104, A 8–25: Kammerspiele des Magistrats der Stadt Wien ist aus vom 8. Februar 1944 und betrifft die Neufestsetzung des Fassungsraumes, der erneut auf 528 reduziert wurde, um „entsprechende Durchgangsbreiten“ zwischen den Sitzreihen in der Galerie zu gewährleisten.

Nachkriegszeit
Ab 12. Mai 1949 spielte das Ensemble des Theaters in der Josefstadt fix in den Wiener Kammerspielen. Doch erst am 1. März 1952 eröffnete man offiziell die Wiener Kammerspiele als feste Filialbühne des Theaters in der Josefstadt.
Dessen Darstellung, das Theater wäre seid den 1920er-Jahren immer im Verbund gestanden, entsprechen jedoch nicht den historischen Tatsachen (Vgl.: "1925 Ludwig Körner leitet die Wiener Kammerspiele und es kommt zu einer Interessensgemeinschaft mit den "Reinhardt-Bühnen" in Wien und Berlin. Unter Körners Leitung werden die Kammerspiele die Zweitbühne des Theaters in der Josefstadt, dem sie seitdem, mit einigen Jahren Unterbrechung, angehören. Betriebsführung, Ensemble und Rechtsträger sind seither identisch mit dem Theater in der Josefstadt." Quelle: www.josefstadt.org)
1973 Neugestaltung durch den Architekten Prof. Otto Niedermoser.
2013 wurden die Kammerspiele der Josefstadt in 5,5 Monaten einer umfassenden Generalrenovierung unterzogen.

Eigentümer & Direktoren
1910 Julius Strobl gemeinsam mit Mario Rella
1912/13 Mario Rella, Stellv.: Arthur Rundt (Volksbühne)
1914 Anton Berger
1915 Alfred Bernau
1918/19 Eigentümer Arnold Knedl und Konsorten
Direktor Alfred Bernau (zugleich Direktor der Favoritener Volksbühne),
ab 1919: Kammerspiele des Deutschen Volkstheaters (Bühnenverband)
1920 Eigentümer Arnold Knedl und Konsorten
Direktor Alfred Bernau / Kammerspiele des Deutschen Volkstheaters
1921 Eigentümer Arnold Knedll und Konsorten
Direktor Alfred Bernau
1922 keine Angaben
1923 Eigentümer Arnold Knedl und Konsorten /
Intendant: Alfred Bernau / Leitung: Siegfried Geyer;
angegliedert an die Renaissance Bühne
1924 Leitung: Siegfried Geyer
1925 verbunden mit dem Modernen Theater und der Neue Wiener Bühne
1926 Franz Wenzel
1927 Direktor: Franz Wenzler / Stellvertretender Direktor: Hans Peppler
1928-30 Direktor: Franz Wenzler
1931 Max Schweinburg (Eigentümer der Immobilien und kurzfristig auch Konzessionär), Direktor: Rudolf Beer
1932 Direktor: Aurel Nowotny
1933 Kurt Robitschek
1934/35 Eigentümer: Max Schweinburg / Pächter und Direktor: Erich Ziegel
1936 kurzzeitiger Verbund mit dem Theater in der Josefstadt, danach Josef Sandner
1938 Hanns Schrott-Schöbinger
seit 1945
im Verbund mit dem Theater in der Josefstadt