Die genaue Baugeschichte und Besitzverhältnisse der frühen Jahre des Hauses in der Riemergasse sind noch nicht in der Literatur festgehalten. Mitte des 19. Jahrhunderts soll es hier schon Laientheater gegeben haben, und es wird berichtet, dass Helene Odilon, selbet eine bekannte Schauspielerin und Ehefrau des Wiener Volksschauspieler Alexander Girardi, das heute bestehende Haus erbaut haben soll, um hier das Boccaccio zu gründen. Belegt sind an diesem Standort folgende Etablissements, Kinos und Theater: Uhu, Panspiele, Wiener blauer Vogel, Kunstspiele, Boccaccio, Marietta Bar, Rondell und Porgy & Bess. Zur Geschichte Das Kabarett Uhu ist um 1914 an diesem Standort belegt. das Kabarett befand sich im Keller sowie im Erdgeschoß des Wohnhauses. Nach Kriegsende, spätestens jedoch 1919 wird aus dem Etablissement das "Vergnügungslokal Pan", kurz danach werden daraus die "Kunstspiele Pan", die wegen Adabtierungsarbeiten 1920 aktenkundlich erwähnt werden. 1927 taucht dieser Name u. a. auch in einer Notiz der von 1924 bis 1927 existierenden Frauenzeitung der KPÖ Die Arbeiterin noch einmal auf (siehe www.artminutes.at/Quellen/1927). Bereits 1923 ist das Wiener Vergnügungsetablissement auch unter dem Namen Moskauer Kunst-Spiele bekannt. Am 30. November dieses Jahres wurde u. a. von Dr. David Gray um die bauliche Umgestaltung der Räume für Aufführungen des in Wien gastierenden deutsch-rusische Kabaretts Der blaue Vogel angesucht, einer Berliner Emigrantenbühne des russischen Kabarettkünstlers J. Juznyj. Das Plakat der Veranstaltungen an den Wiener Moskauer Kunst-Spiele verweist als Impressum auf die "Der Blaue Vogel in Wien Gesm.b.H." und auf den Spielort Riemergasse 11. Gegeben wurde u. a. Der Floh, Worte von Goethe, Musik von Mussorgsky. Trotz des guten Erfolges und der begeisterten Aufnahme in Wien - u. a. schwärmte Robert Musil für das Theater - mussten die Moskauer Kunst-Spiele in Wien 1924 wieder schließen. Ein Teil des Namens blieb auch für die folgenden Jahren erhalten: das Etablissement hieß von da an "Kunst-Spiele", fallweise in Kombination mit dem alten Namen des Standortes, "Kunstspiele Pan" bzw. "Pan-Spiele". 1927, 1930, 1932, 1933 und 1936 finden sich in der Sammlung des Österreichischen Theatermuseums Programme die von einem regen kulturellen Leben in den "Kunstspiele" zeugen: So gastierte im Februar 1927 z. B. die Schauspielklasse des Burgschauspielers Prof. Blum vom Konservatorium für Musik und dramatiche Kunst mit Romeo, einem Spiel in drei Akten von Ernst Haupt. 1928 gab es ein Gastspiel der Amateurtheaterbühne Arena-Bühne mit der "Revue in 20 Bildern" Hallo! Hallo! Hier Arena! unter Mitwirkung der "Ohio Band". 1930 nannte sich das Etablisement kurze Zeit auch "Theater Kunstspiele" und präsentierte von Max Gümbel-Seiling veranstaltete Schauspiel-Abend, u. a. Der Tor und der Tod von Hugo von Hofmannsthal. Im selben Jahr gastiert hier die Junge Wiener Bühne mit der Komödie in drei Akten von Ferdinand Lion Zwischen Indien und Amerika. 1932 ist eine Sonderaufführung der Freien Bühnen mit dem Schauspiel in drei Aufzügen von Albert Mollan Jokaste nachgewiesen, daneben neuerlich eine Revue der Arena-Bühne anlässlich ihres 10-jährigen Bestandes. 1933 präsentierte hier die Wiener Autoren-Bühne von Oktober bis Dezember drei unterschiedliche Stücke, 1936 gastierte hier Marva Jaffay mit einem Tanzabend. Über die Kriegsjahre ist für diesen Standort noch wenig bekannt. Es scheint jedoch bereits in diesen Jahren als Jazz- und Musiklokal genutzt worden zu sein. In den 1950er-Jahren wurde hier neuerlich eine Revue-Lokal eröffnete, das auf die große Zeit des Hauses im 19. Jahrhundert verwies und neuerlich den Namen Boccaccio trug. Zu den Revue-Programmen des Nachkriegs-Boccaccio zählten u. a. Unter den Dächern von Wien und Das glückliche Schiff Boccaccio mit dem "Boccaccio-Ballett", die Programme waren, da sich das Theater in der von allen Alliierten besetzten Inneren Stadt befand, auch in englischer, französischer und russischer Sprache übersetzt. Eines der Lieder Zeit verwies auf den besonders beliebten Raum des Etablissements: "Ich kenn ein Lokal in der inneren Stadt, dort trifft sich das vornehme Wien. Wer einmal dort war, es gesehen nur hat, den zieht's immer wieder dann hin. Ich bin so verliebt in den reizenden Raum, dort geh' täglich ich ein und aus, es ging in Erfüllung mir oft mancher Traum, ich fühl mich dort wie zu haus!" (Egon Samek) Doch das neue Theater konnte sich nur wenige Monate an diesem Standort halten und wurde bald schon unter dem neuen Namen Rondell als "Kabarett-Revue-Varieté" neu genutzt. Gezeigt wurde u. a. die musikalische Tanz-Revue Wir gehn bummeln! des Wiener Schauspielers Milan Kamare. Noch 1953 ist unter Rondell noch ein Kabarett diesen Namens am Standort Riemergasse 11 belegt. Im selben Jahr ist während der Vorstellung Rendevouz der Magier vor 40 Personen u. a. ein Kabelbrand belegt. In den folgenden Jahren wird das Etablissement als Revue-Bar, Kaffee, Kino und Theater genutzt und beworben, einige Jahre ist es bereits beliebter Ort für die damals lebendige Wiener Jazz-Szene - doch als "Wiens erstes Raucherkino" und in den späteren Jahren als Westernkino und schließlich als "erstes, bestes und einziges "erotisches Etablissement" (Pornokino) machte es am anhaltendsten einen Namen. 1955 ist ein Brand des Kinos nachgewiesen, bei dem der angeschlossene Restaurantbetrieb und die Bar nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden. Wann genau der Kinobetrieb unter dem Namen Rondell begannt, ist unklar. Die Angaben schwanken von 1949 bis 1959. Vermutlich wurden die Räume mehrfach genutzt, was eine systematische Zuordnung als Kino- oder Theaterbetrieb nicht möglich macht. 1962 wurde der damalige Leiter des Kinos, Dr. Friedrich Feichtinger, wegen Vertoß gegen die Arbeitszeitverordnung angeklagt und zu einem Monat Haft verurteilt. Feichtinger argumentierte, dass sich seine Angestellten dafür die Filme auch ansehen konnten. Als weiterer Anklagepunkt wurde in den damaligen Verhandlungen "das Würgen eines Cafetiers" genannt (vgl. Kurier, 20.03.1962). Noch im selben Jahr übernahm Wladislaw Rath (Rath & Co) das Rondell-Kino und unternahm bauliche Veränderungen, etwa den Einbau einer Bierkammer und eines Warteraumes, was zu einem mehrjährigen Streit zwischen dem neuen Konzessionär und dem Eigentümer des Hauses, Marcus Salomon, führte. Von den Jahren des Kinosterbens war unter den Nachfolgern von Rath & Co auch das einstmals beliebte Raucherkino in der Riemergasse betroffen. 1989 ergänzte man das nunmehr als Pornokino geführte Unternehmen durch eine Sauna sowie Zimmer im Keller des Hauses. 1991 musste das Kino seinen Betrieb endgültig einstellen. (Die Presse, 23.07.1991) In den folgenden Jahren erwarb der Bund die Räume, um sie freien Theatergruppen zur Verfügung zu stellen. 1993 wurden die Pornokinosessel versteigert, zur nachhaltigen Nutzung der Räume für freie Produktionen kam es jedoch nicht. Heute befindet sich hier das renommierte Jazzetablissement Porgy & Bess. < zurück |