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1902 erhielt Emil Gottlieb, genannt "Homes" (geb. 1850 in Brünn, kath.), die Genehmigung zur Errichtung eines Panoramas in der Inneren Stadt, in dem in einem eigenen Kinosaal - u. a. neben Abnormitätenschauen und einem "selbst spielenden" Klavier - täglich kinematografische Vorführungen gezeigt werden durften. Eröffnet wurde das neue Etablissement am 1. November 1902.

Vorgeschichte
Gottlieb und seine Gattin (geb. Fey), die wie er im Namen des neuen Etablissement genannt wurde, waren bis zu diesem Zeitpunkt mit ihren Schauen in der ganzen Monarchie als fahrende Unterhaltungskünstler:innen herumgereist. 1900 kehrte das erfolgreiche Paar nach Wien zurück und eröffnete am 6. Jänner eine erste feste Spielstätte auf dem Kolowratring 7. Nach 200 Vorstellungen ging das Paar erneut auf Tournee durch die Länder der Monarchie, ehe es am 1. Dezember in der Mariahilfer Straße 1B erneut einen festen Standort eröffnete, jedoch dieses Mal nur wenige Wochen, bis 15. Jänner 1901, hier auftrat.

1901 zog das Künstlerpaar in die Räume des ehemaligen "Stadt-Panoptikums" von Louis Veltée auf den Kohlmarkt 10 in die Innere Stadt weiter. Hier wurden vorerst vor allem die erfolgreichen "okkulten Experimente", darunter das bekannte "Geisterklavier", vorgestellt und der Standort zuerst als "Salon moderner Wunder" beworben. Ab 31. März 1901 zeigte das Paar hier bereits als Teil seiner Vorstellungen "Pariser Sujets" der Pathé Frères, die Lizenz zur Präsentation erster kurzer Filme hatte Holmes bereits für zwei Gulden erworben, wobei die Lizenz selbst nur einen Gulden kostete und der weitere Gulden an den Wiener Magistrat abgeführt werden musste.

Nach weiteren Tourneen wurde schließlich am 1. November 1902 wieder auf dem Kohlmarkt eröffnet.
Spätestens im Jahr 1905 erhielt der Veranstaltungsort den Namen "Homes-Fey-Theater", einige Zeit auch "Homes, Fey & Davenport".
1909 fasste des kleine, intime "Kinematographen-Theater", in dem immer noch auch Weltpanorama, Abnormitäten und Illusionen zu sehen waren, wie eine Postkarte aus dem Jahr 1905 zeigt, 180 Personen; erst 1914 wurde er zu einem eigenständigen Kino adaptiert, an dem vorwiegend Filme gezeigt wurden.
Nur ein Jahr später wurde das zuletzt als "Kohlmarkt Kino" fungierende frühe Kinounternehmen wieder geschlossen; zu den letzten Vorstellungen zählte eine Spielserie der Oberammergauer Passionsspiele zu Ostern 1915.

Transfer und Ende
Homes behielt jedoch die Lizenz, die zu diesem Zeitpunkt immer nur auf Einzelpersonen ausgestellt wurde, und eröffnete damit 1916 das Wilhelms-Kino in der Meidlinger Wilhelmstraße 38. Das Kino hielt nur ein Jahr, danach wurde es still um den vielseitigen österreichischen Impressario und Kinopionier. Erst als Homes am 4. August 1934 mit 84 Jahren starb, erinnerten sich Zeitungen erneut an die Leistungen des Künstlers, der als einer der Ersten "Kino" in Wien als stehende Institution etabliert hatte. So schrieb etwa Robert Braun im Neuen Wiener Tagblatt von 20. Oktober 1934:

"Als Knabe hatte ich an Samstagnachmittagen freien Ausgang, und da führte mich der Weg meist zum Kohlmarkt, wo sich das erste Kino unserer Stadt eingerichtet hatte: Es hieß Homes und Fey. Herr Homes, der Besitzer, stand in eigener Person vor dem Eingang zwischen den an die Mauer gelehnten Ankündigungsstafeln und machte den Ausrufer. Es sah wie der Direktor einer Schmierenbühne [!] aus, war groß, hatte ein rotes Gesicht, dessen Kinn zwischen den Spitzen eines Vatermörders stak, und seiner durchaus nicht übertriebenen Anpreisung der neuesten lebenden Bilder und anderer Merkwürdigkeiten war schwer zu widerstehen. So ging ich im Vorgenuß einige Stufen in ein Kellergewölbe hinab, wo mich, wenn ich zu spät kam, ein besonderer Raum aufnahm. Er hieß 'Das Weltpanorama', und ich konnte, nachdem ich den hohen Sitz erstiegen [hatte], durch die Linsen eines Bioskops die mannigaltigsten Städte und Landschaften schauen. Dann ließ uns die laute Einladung des Herrn Homes den Kinoraum betreten, der nach leerem Theater roch. Und nun begann auf dem herab hängenden weißen Vorhang das knatternde Spiel der 'lebenden Bilder', das, damals noch ohne Musik, sich aus einem Regennetz wirr durcheinander schlagende, zuckende Stücke entwickelte. Herr Homes, der sich auf einem der Plätze des Mittelganges niedergelassen hatte, gab dazu mit hallender Stimme seine Erklärungen. Und da machten wir denn eine kurze Reise mit, wobei ein Omnibus so rasch zur Riesengröße anwuchs, dass man glauben mochte, jetzt und jetzt würde er mitten in uns hineinfahren. Dann gab es ein Märchen oder in wenigen kurzen Akten eine Wildwestgeschichte mit einem Blockhaus und mit Männern in Cowboyhosen, wobei im Geknatter des Filmlablaufes ein lautloser Schuss fiel, der einen Rivalen fällte. Leider verging dies all zu schnell. Doch erlebte ich immer noch eine letzte Überraschung, als ich wieder ins Freie trat. Es geschah durch einen rückwärtigen Ausgang, und so befand ich mich an einer anderen Stelle der Straße als dort, wo ich eingetreten war, und musste mich erst, benommen von all den Merkwürdigkeiten, einige Augenblicke lang wieder zurecht finden. Als dann auf dem Nachhauseweg schon Laternen brannten, fühlte ich mich wohl im Genusse so vieler Fremdheit." (Vgl. dazu Ingrid Ganser: Vom Lichtspieltheater zum Kinocenter. Wiens Kinowelt gestern und heute. Wien 2002, S. 4)