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Gründung des Kinos und frühe Jahre am ersten Standort Bereits 1911 gab es ein erstes Liesinger Stadtkino, dessen Eröffnung in der Wiener Fachpresse mehrfach angekündigt wurde. Erbaut wurde das Kino vom Wiener Stadtbaumeister Hubert Maresch, der einen gediegenen Saal für 500 Personen und einen große Leinwand konzipierte. Erster Direktor dieses Liesinger Kinos war mit Gustav Altschul ein Kinopionier der ersten Stunde, der schon ab 1907 den Wiener Bioscop in der Krugerstraße 5 (1010 Wien), ganz in der Nähe jenes Ortes, an dem 1896 die ersten Filmvorführungen in Wien stattgefunden hatte, eröffnete. Altschul nutzte das Kino von Beginn an als Multifunktionsort, an dem neben den Filmvorführungen auch Konzerte, Lichtbildvorträge, aber auch politische Versammlungen stattfanden, die die Liesinger Bevölkerung anzogen, während der Kinobetrieb auf vier Tage in der Woche beschränkt blieb. Das Stadttheater am selben Standort Am 20. Juli 1918 wurde auf demselben Areal auch ein Stadttheater bei der Liesinger Stadtgemeinde eingereicht, für dessen Erbauung der große Saal des Hotels Mahner, „Zu den 3 Raben in Liesing“ adaptiert werden sollte. Das Liesinger Stadttheater wurde am am 22. Oktober 1919 öffnet und bot u. a. zweimal pro Woche Vorstellungen der Vereinigten Volksbühne Wien. Besitzer und Lizenzinhaber war zum Zeitpunkt der Gründung Heinrich Regnier. 1922 übernahm die Stadtgemeinde Liesing selbst den Betrieb. Rasch wurde zudem klar, dass man auch diesen Ort, wie das benachbarte Kino, für Präsentationen unterschiedlicher Art, u. a. auch für Filmvorführungen, nützen wollte. Die Lizenz ging 1922 an Ludwig Marx, dem bereits ein Jahr später Franz Veit, 1924 Albert Rohaczek (auch: Rohatschek) und am 18. Dezember 1928 Franz Lohr und August Bischoff folgten. Bischoff war zudem Besitzer des Fasan Kinos im dritten Bezirk sowie Geschäftsführer der von der Wiener Kinopionierin Elsa Löwinger (spätere Epstein) geführten Löwen Kino Gesellschaft m.b.H., die das ebenfalls in der Landstraße befindliche Löwen Kino betrieb. Das Kino in den 1930er-Jahren 1930 kaufte die Liesinger Stadtgemeinde schließlich Lohr den Kinobetrieb inklusive Einrichtung und Konzession ab (Beschluss von 11.10.1930). Lohr durfte noch zwei Jahre in seiner im selben Haus befindlichen Wohnung bleiben, ohne einen Zins zu zahlen, musste jedoch dafür alle anfallenden Gebühren übernehmen, während die Stadtgemeinde Liesing von nun an das Kino führte, für dessen Ankauf sie ein Darlehen der Landes-Hypothekenanstalt aufnehmen musste, nicht zuletzt, um auch hier noch im selben Jahr eine Tonfilmanalage zu installieren und das Kino von nun an als Tonfilm-Theater-Kino Liesing Ab diesem Zeitpunkt gab nur noch einen Betrieb an diesem Standort, wobei die Mehrfachnutzung der Räume auch weiterhin erhalten blieb. Filme wurden im nunmehrigen Tonfilm Theater-Kino zuerst vier Mal in der Woche, bald schon täglich gespielt. 1934 übernahm Leopold Schwed die Geschäftsführung. Die Stadtgemeinde Liesing hielt die Kinokonzession bis zum „Anschluss“; danach wurde es zuerst an die Gemeinde Wien übergeben und 1940 inklusive angeschlossener Gastwirtschaft an Anton Haslinger „verkauft“. Der „Ariseur“ Anton Haslinger, Jahrgang 1909, war seit 1930 Mitglied der SA beigetreten und hatte noch im selben Jahr die Perchtoldsdorfer SA gegründet. Im Februar 1932 war er der NSDAP beigetreten (Mitgliedsnummer: 1.305.906), 1933 zur motorisierten SA gewechselt. 1934 kam es, vermutlich im Zuge der Februarkämpfe oder der folgenden politischen Auseinandersetzungen, zu eine schweren Verletzung, die zu einem bleibenden Augenleiden führte. 1936 war Haslinger wegen Beteiligung an einem Mordkomplott der Bundesregierung, Vorbereitung zum Umsturz mit Waffengewalt und Sprengstoffverbrechen verhaftet und zur einem Jahr schweren Kerker verur-teilt worden. Infolge dessen wurde ihm von der NSDAP der „Blutorden“ verliehen („Blutor-densträger“). Wie auch aus einem Schreiben des Fachverbands der Lichtspieltheater an das Bundesministeri-um für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung von 21. August 1947 hervorgeht, wurde das Kino 1938 vom damaligen Bürgermeister an Haslinger aufgrund dessen „Verdienste um die Partei als Blutordensträger verpachtet“: „Späterhin ist das Theater [!] in den Besitz des Herrn Haslinger übergegangen. In welcher Form diese Besitzübergabe stattgefunden hat und ob und welcher Betrag hierfür bezahlt wurde, ist leider aus unseren Akten nicht zu ersehen“, hieß es weiter vonseiten des Fachverbandes in seiner Rückschau 1947. Die „Inbesitznahme“ fand nach dessen Angaben 1942 statt, von da an führte Haslinger den Betrieb gemeinsam mit seiner Frau Johanna Haslinger, mit der er einen Gesellschaftsvertrag abschloss, „nach welchem beide Teile gleich berechtigt an dem Kino beteiligt waren“. Zu Kriegsende im Frühjahr 1945 galt der Ariseur als geflüchtet mit unbekanntem Aufenthaltsort. Nachkriegsjahre & Rückgabe an die Gemeinde Wien Das Theater-Kino Liesing wurde am 18. Mai 1945 wiedereröffnet und vorerst unter die provisorische Leitung von Wilhelm Luschinsky gestellt. Als dieser das Kino jedoch gänzlich als neuer Leiter übernehmen wollte, wurde ihm dies mit dem Hinweis der Stadt Wien, dass in diesem Falle die Gemeinde Liesing den Betrieb in direkte Verwaltung stellen könnte, durch Stadtrat Afritsch verweigert: „Herr Bürgermeister Braun bat mich daher, vorderhand von einer Übergabe abzusehen bis die Angelegenheit von Herrn Stadtrat Dr. Matejka geklärt ist“, hielt Luschinsky in einem Schreiben von 5. Juli 1945 fest und setzte fort, dass es „seit dem Einmarsch der russischen Armee keinerlei Buchhaltung“ für den Betrieb gäbe und die angedachten neuen Leiter der „Partei“ „nicht von der Branche sind“, es jedoch gerade für die „Stadt-Lichtspiele Liesing“ „unbedingt notwendig“ wäre, „dass ein Fachmann die Leitung übernimmt“. Wenige Tage später wurde seitens der Gemeinde Wien (vertreten durch Ing. Hans Nord) mitgeteilt, dass die „provisorische kommissarische Leitung im Stadtkino Liesing im Einvernehmen mit dem Stadtrat Dr. Matejka aufrechterhalten bleibt“ und Luschinsky weiterhin seine Tätigkeit als provisorischer Leiter ausführen sollte. „Das Kino bleibt trotzdem Eigentum der Stadtgemeinde Wien.“ Am 27. Juli hieß es demgegenüber in einem Schreiben der Gemeindeverwaltung Wien, Außenstelle Liesing, Bezirkshauptmannschaft für den 24./25. Bez., dass man es ablehne, „Herrn Luschinsky zum öffentlichen Verwalter zu bestellen“ und „diese Ablehnung dem Stadtrat Dr. Matejka mitzuteilen“ wäre. Wilhelm Luschinsky wurde zeitgleicht gebeten, „von weiteren diesbezüglichen Besuchen in Liesing Abstand zu nehmen“. Der Konflikt spitzte sich zu, als Nord darauf scharf reagierte und betonte, das die „provisorische Verwaltung von Liesing kein wie immer geartetes Recht hat, sich in meine Verfügungen einzumengen“. Am 9. November 1945 übernahm schließlich Dr. Alfred Migsch als Vertreter der Gemeinde Wien die öffentliche Verwaltung, Geschäftsführer wurde bis 15. Jänner 1946 Anton Brust und ab 16. Jänner 1946 Anton Banousek. In seinem Überblick über die Jahre 1938 bis 1945 hielt der Fachverband der Lichtspieltheater am 21. August 1947 fest: „Mit Rücksicht darauf, dass der Besitzer [Haslinger] Blutordensträger war, wurde die öffentliche Verwaltung für den Betrieb errichtet. Öffentlicher Verwalter ist Obermagistratsrat Dr. Migsch, von welchem vielleicht nähere Einzelheiten zwecks Ankauf des Betriebs zu erfahren sind.“ Übernahme durch die Wiener Arbeiterheime Ges.m.b.H. 1947 ging das Kino – als eines von vier Wiener „Randgemeindekinos“ neben „Lichtspiele Rodaun“, „Mödlinger Lichtspiele“ (Wiener Neudorf) und „Mödlinger Bühne“ (Mödling) – an die Wiener Arbeiterheime Ges.m.b.H. als Eigentümerin und die KIBA als Konzessionären über. In einem diesbezüglichen Schreiben des Fachverbands der Lichtspieltheater an die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien, Sektion Fremdenverkehr, Fachgruppe der Lichtspieltheater, von 15. Dezember 1947 hieß es dazu: „Gegen die Erteilung der Konzession an die KIBA erhe-ben wir keine Einwendung, nachdem die Konzession für die Lichtspiele Liesing auch früher der damaligen Gemeinde Liesing zugesprochen wurden.“ Heinrich Steinbach übernahm die Geschäftsführung des Kinos, das er bis 1966 leitete, ehe er von Anna Hörnich abgelöst wurde. Zur gleichen Zeit suchte der nun wieder offiziell gemeldete einstige Ariseur Haslinger um finanzielle Hilfe an. Ende 1948 wurde die Österreichische Gesellschaft für treuhändige Vermögensverwaltung mit der öffentlichen Verwaltung der „Theaterlichtspiele Liesing“ beauftragt. Im März 1949 wurde die Konzession für die KIBA für das „Liesinger Kino“ bis 31. März 1951 verliehen. Im Jänner 1949 wurde festgelegt, dass ihm aus gesundheitlichen Gründen ein monatlicher Unterhalt von 400 Schilling aus den Einkünften des Kinos zu bezahlen sei. Am 1. September 1950 erging ein Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen an die öffentliche Kinoverwaltung, die Österreichische Gesellschaft für treuhändige Vermögensverwaltung, sowie an den nunmehrigen Bundesminister a. D., Nat. Rat Dr. Alfred Migsch und die Gewerkschaft der Arbeiter des persönlichen Dienstes, demnach sowohl die neue öffentliche Verwaltung wie auch der bereits am 28. Oktober 1948 abberufene ehemalige öffentliche Verwalter, Dr. Migsch, ersucht wurden, zum einen für das im Eigentum der ehemaligen NS-Leiter Anton und Johanna Haslinger ihre Verwaltung zurückzulegen wie auch das den beiden „gehörige Vermögen der Firma Theaterlichtspiele Liesing an dieselben zu übergeben“. Als Grund wurde genannt, dass die „Berufungswerber Anton und Johanna Haslinger nicht mehr unbekannten Aufenthaltes sind und nach ihrer eigenen, durch ihren Vertreter abgegebenen Erklärung nunmehr in der Lage sind, ihre Rechte zu vertreten und die zur Verwaltung der ihnen gehörigen Vermögensmasse des genannten Kinos erforderlichen Verfügungen selbst zu treffen“. 1951 verlängerte die KIBA ihre Konzession für den Betrieb, wobei sie weiterhin Heinrich Steinbach als Geschäftsführer angab. Die Verlängerung wurde mit Schreiben von 31. März 1951 genehmigt, wobei festgestellt wurde, dass von Montag bis Freitag „mit den regelmäßigen Laufbildvorführungen erst ab 14 Uhr begonnen werden darf“. Die neuerliche Verlängerung der Kon-zession wurde 1953 bestätigt. 1956 wurde die Konzession durch die KIBA an die „Wiener Arbeiterheime“ verpachtet, wäh-rend Steinbach auch weiterhin für die Geschäftsführung des Betriebs verantwortlich blieb. Die-se Konstruktion hielt auch in den folgenden Jahren. 1961 folgte Anna Hörnich als neue Ge-schäftsführerin auf Steinbach. Noch am 9. April 1965 wurde die Konzession erneut bis 31. März 1971 verlängert. 1967 wurden, mitten in den harten Jahren des ersten Wiener „Kinosterbens“, als letzter Versuch, das Kino doch noch zu erhalten, noch CinemaScope und Breitwand eingebaut und die Be-stuhlung reduziert. Doch bereits am 14. Mai 1968 hieß es in einer amtlichen Mitteilung: „Die Wiener Arbeiterheime Ges.m.b.H. mit dem Sitz in Wien 9, Alserbachstraße 23, haben als Pächterin der Konzession mit Schreiben vom 6. d. M. anher mitgeteilt, dass der oben angeführte Kinobetrieb [Theater Kino Liesing] mit 31. Mai 1968 eingestellt wird. Frau Anna Hörnich wird dann gleichzeitig als Geschäftsführerin abberufen.“ Am 30. August 1968 hieß es, dass die „Wiener Stadthalle – KIBA“ die Konzession nun doch behalten wolle und sie mit 1. Juli 1968 von nun an unbefristet verliehen werden solle. Sowohl die Wiener Arbeiterheime als Pächterin wie Hörnich als Geschäftsführerin wurden in diesem Schreiben weiterhin bestätigt. Am 14. Oktober 1968 wurde bekanntgegeben, dass das Kino seit 1. Juni geschlossen sei und umgebaut werde. „Die Bauzeit wird ca. 2 Jahre dauern.“ Die KIBA reichte in der Folge den Antrag ein, die Frist für die Wiederaufnahme bis 30. September 1970 zu verlängern. Mit Mitteilung von 8. September 1971 des Wiener Magistrats, MA 7, hieß es schließlich, dass die Wiener Stadthalle – KIBA ihre mit Bescheid von 30. August 1968 verliehene Konzession nun doch ganz zurücklege und so auch die Verpachtung an die Wiener Arbeiterheime Ges.m.b.H. wie auch die Geschäftsführergenehmigung für Anna Hörnich, beendet würden. Die Rücklegung der Konzession war mit Schreiben von 17. September 1971 abgeschlossen. Nach dem Kino Nach der Schließung des Kinos befand sich an dessen Stelle die Volkshochschule Liesing. Eine Onlinerecherche im März 2020 verwies auf Pasha Kebab sowie eine Post-Filiale an dieser Adresse. Kino ab 1911 (erster Standort) Architekt Stadtbaumeister Hubert Maresch (28.11.1874 in Liesing -1955 in Wien) Inhaber Gustav Altschul (1911) Franz Lohr (1919-1930) Lizenz/Konzession (ab 1926) Gustav Altschul (1911) Karl Ackadicky (1916) Heinrich Regnier (1919, Theater) Franz Lohr (1919-1930) Geschäftsführer Gustav Altschul (1911) Heinrich Regnier (1919, Theater) Franz Lohr (1919-1930) Kino ab 1918 bzw. 1930 (zweiter Standort) Inhaber Stadtgemeinde Liesing (1919-1938) Anton Haslinger (1939-1945) Wiener Arbeiterheime Ges.m.b.H. (1946-1968) Lizenz/Konzession Stadtgemeinde Liesing (1919-1938) Anton Haslinger (1939-1945) KIBA (1946-1968) Geschäftsführer:innen Albert Rohaczek (1924-1926) Leopold Schwed (1931-1938) Anton Haslinger (1939-1945) öffentliche Verwaltung: Dr. Adolf Migsch (1945) Anton Hanousek (1946) Heinrich Steinbach (1946-1966) Anna Hörnich (1966-1968) Quellen Wiener Stadt- und Landesarchiv (MA 8), M.Abt. 119 A27/3 – 8 – K96-K112, K 108: Liesing Theaterlichtspiele Wiener Stadt- und Landesarchiv (MA 8), Fachverband der Lichtspieltheater, A1 – Kinoakten: 131 – Liesinger Kino (A1/11) [1945 bis Schließung] © KinTheTop/Angela Heide zuletzt aktualisiert: 28.11.2024 Zitierweise: http://www.kinthetop.at/forschung/kinthetop_23_LiesingerKino01.html, zuletzt eingesehen [Tag.Monat.Jahr] |