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1914 gründete Käthe Doleschal (and. Ang.: Dolezal) das Lichtspiel-Theater Siebenhirten, das sie sowohl als Inhaberin wie Lizenz-Halterin führte. Geschäftsführer des jungen Kinobetriebs wurde ihr Mann, Ernst Doleschal (bis 1920 oder 1922).
Gespielt wurde, wie bei den meisten Kinos der Zeit, nicht täglich, sondern dienstags, donnerstags und an den Wochenenden.

Das neue Kino befand sich auf dem Grundstück „Katastralzahl 308, Bauarea Haus KNr. 267“ der Katastralgemeinde Siebenhirten mit einem eigens erbauten „Zweckbau“, in dem das Kino sowie darüber eine Wohnung eingebaut worden waren, die aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Vorzimmer und einer Mansarde bestand und in der von Beginn an die jeweiligen Geschäftsführer:innen wohnten.

Käthes Doleschals Mann, Ernst Doleschal, leitete den Betrieb in den ersten Jahren seines Bestehens als Geschäftsführer, ab 1922 war seine Frau Käthe Lizenzinhaberin und Leiterin des Kinos.

1930 ließ Käthe Doleschal eine neue "österreichiche" Tonfilmanlage von Fritz Nekham, der für seine Konstruktion auch um ein Patent einreichte, einbauen und änderte den Namen auf Ton Kino Siebenhirten. In den folgenden Jahren spielte man nur noch dreimal in der Woche, ehe 1935 Doleschal das gesamte Kinogebäude, also Kinobetrieb samt darüber liegender Wohnu, Inventar und Lizenz an Ludovika Stich verkaufte.

Ludovika und Leopold Johann Stich waren Besitzer:innen des Restaurants „Roter Stadl“ in Breitenfurt und wohnten in Kalksburg.

Ludovika Dorner wurde am 1. Februar 1881 in Ungarisch-Altenburg geboren. 1885 zog die Familie nach Wien, wo Ludovika zuerst in Breitenfurt und ab 1938 in Siebenhirten lebte. Sie besuchte die Volks- und Bürgerschule sowie danach „Fortbildungs- und Haushaltungsschulen“ und war nach eigenen Angaben ab 1908 „im Betrieb meines Mannes im Haus und geschäftlich tätig“. Am 28. November 1913 folgte ihre „Einbürgerung durch Heirat“, wie sie 1939 in ihrem Antrag auf Eingliederung in die Reichsfilmkammer festhielt – wobei die Hochzeit selbst erst 1914 in Budapest stattfand.
Leopold Johann Stich war am 24. August 1874 in Simmering (NÖ) geboren worden, wo er auch aufwuchs. Stichs Eltern waren Inhaber einer Gastwirtschaft, und so besuchte auch Leopold Johann die Volks- und Bürgerschule, danach die Handels- und Realschule und übernahm früh schon den aufgrund der schweren Erkrankung seines Vaters den Familienbetrieb. 1895 trat er in den Militärdienst ein, den er bald darauf wieder aufgrund eines Sturzes, der einen schweren Schulterbruch zur Folge hatte, austrat und als „Invalide entlassen“ wurde. Erneut trat er in den gut gehenden Familienbetrieb, den „Roten Adler“ in Breitenfurt, ein, den er nach eigenen Angaben 1904, spätestens aber mit dem Tod des Vaters 1905 als alleiniger Besitzer übernahm. 1910 wurde Stich vom ungarischen Staatsangehörigen Jakob Eisler adoptiert und trug „vermöge dieser Adoption“ von nun an den Doppelnamen Stich-Eisler. 1939 bemühte sich das Ehepaar anlässlich seiner Anträge zum Eingliederung in die Reichsfilmkammer darum, diesen Adoptivamen wieder streichen zu lassen, das diesbezügliche Gesuch lag zu diesem Zeitpunkt bereits „dem zuständigen Ministerium in Budapest vor“.

Stich gab später in seinem Personalien-Bogen anlässlich des Antrags auf Eingliederung in die Reichsfilmkammer an, er habe das Kino 1935 „für meine Frau, daselbst jetzt Kinobesitzer und Geschäftsführer“ gekauft. Ludovika Stich selbst gab an, sie sei seit „26. Oktober 1938 Kinobesitzerin in Siebenhirten Wien 25“.

Das Kino war wohl bereits zu diesem Zeitpunkt eher ein Spekulationsobjekt der beiden Wirtsleute, die von da, glaubt man späteren Berichten, auch nie im Betrieb tätig wurden. Als neuer Geschäftsführer wurde Viktor Hager eingesetzt, dessen Frau zudem den Kassendienst des Betriebs übernahm.

Laut eigenen Angaben übernahm Ludovika Dorner, verheiratete Stich, den Betrieb 1935 allein – was auch in einer Abschrift des Grundbuchauszugs von 1940 betont wurde – und mit einer Schuldenlast von 100.000 Schilling, „welchen Betrag ich vor Übernahme des Kinos bezahlen musste und schwer, aber doch bezahlt habe. Dabei übernahm ich das Theater in einem vollständig verwahrlosten Zustand.“

Wie aus einem Dokument des Wiener Notars Kurt Sporr von 9. Mai 1939 hervorgeht, kaufte Stich im genannten Jahr 1935 wohl vorerst nur zwei Drittel des Kinos, während ein Drittel weiterhin in Besitz von Katharina (Käthe) Doleschal verblieb. Die Eigentumsrechtte dieses Drittels wurde jedoch am 7. Juni 1938 von Ludovika Stich-Eisler „einverleibt“, „sodass diese nunmehr zur Gänze Eigentümerin der bezeichneten Liegenschaft ist. – Bezirksamt Liesing, Gerichtsabt. 5, am 7.VI.1938“.

Ludovika Stich sanierte nach eigenen späteren Angaben den Betrieb in den folgenden Jahren und hielt in ihrem Bericht von 31. August 1938 an die Leitung der Reichsfilmkammer fest, dass „noch Jahre vergehen, bevor das Kino für mich einen tatsächlichen Reingewinn abwerfen wird“. Stich beschrieb in ihrem Bericht im August 1938 auch die damalige Situation des Kinopublikums in ihrem Bezirk:
„Siebenhirten hat 3.600 Einwohner. Der weitaus größere Teil der Bevölkerung sind Arbeiter, welche, ob jung oder alt, samt der Jugend durch lange Jahre hindurch arbeitslos waren. Trotzdem aber jetzt schon fast alle Beschäftigung haben, müssen sie sich vorerst mit Schuhen und Kleidung versehen und für Essen und besseres Wohnen sorgen, bevor sie wieder übriges Geld aufbringen und dann als richtige Kinobesucher anzusprechen sind. Es kann deshalb auch noch längere Zeit mit nur zwei Spieltagen wöchentlich gerechnet werden, da für vier Tage der Besuch nicht zur Deckung der Spesen ausreichen würde.“ In einem Antwortschreiben der Reichsfilmkammer hieß es, dass die Härtekommission entschieden habe, dass Stich einen großen Teil der abzuspielenden Filme zu Fixpreisen zeigen dürfe, und nur ein Viertel der vorgeschriebenen prozentualen Teilung mit der Reichsfilmkammer berechnet werden würde – dafür musste Stich jedoch weiterhin an vier Tagen statt, wie von ihr erbeten, nur zwei Tagen das Kino geöffnet halten. In den kommenden Jahren kam es zu einer Erweiterung der Spieltage auf sechs Tage pro Woche, 1944 wurde wieder auf vier Spieltage reduziert.

Ludovika Stich blieb auch nach dem „Anschluss“ Lizenzinhaberin des Kinos. Im Sommer 1939 nannte sie es in „Lichtspiele Siebenhirten“ um. 1940 erhielt Stich gemeinsam mit Emilie Riedl die vorläufige Spielerlaubnis. Eine Revision in diesem Jahr hielt fest, dass der Betrieb zum Teil mangelhaft ausgestattet war, die Außenfront wurde als „unzweckmäßig“ bezeichnet, der Warteraum als zu klein kritisiert, und die sanitären Anlagen sollten verlegt werden. 1940 kam es zu Untersuchungen im Zusammenhang mit einem „politischen Führungszeugnis für Ludovika Stich“, die sich aufgrund mangelnder Informationen über die Kinobetreiberin mehrere Monate hinzog. Am 4. Oktober 1940 hieß es schließlich: „Gegen Obengenannte ist in politischer Hinsicht bisher Nachteiliges nicht bekannt geworden.“ Im Dezember folgte schließlich auch das politische Führungszeugnis für Riedl. Zeitgleich mit der Übernahme des Kinos zog Riedl von Gilgenberg an der Thaya nach Siebenhirten, Stich zu diesem Zeitpunkt von Siebenhirten nach Kalksburg.

Emilie Hinke war am 22. Mai 1895 in Krems an der Donau als Tochter des Kaufmanns Friedrich Hinke und dessen Frau Maria Theresia (geb. Brenner) geboren worden. Sie besuchte in Krems die Volks- und Hauptschule sowie zwei Jahre „klassische höhere Fortbildungsschule“ und arbeitete bis zu ihrer Eheschließung danach als Bankbeamtin in der Handelskammer. Am 29. April 1918 heiratete sie den Forstmeister Ing. Adolf Riedl in der Mariazeller Kirche und war von da an als Hausfrau wie auch „teils meinem Manne im Forstamt behilflich“. 1935 gingen Teile des „Graf Lamberg’schen Besitzes“, bei dem Adolf Riedl tätig war, in jüdischen Besitz über, wie Riedl in ihrem Antrag auf Eingliederung in die Reichsfilmkammer festhielt, sodass Adolf Riedl nach dem „Anschluss“ zwar eine teilweise Entschädigung für seinen Vertrag erhielt und bei halben Gehalt angestellt blieb, sich für das Paar jedoch die finanzielle Situation derart zuspitzte, dass sich für Amalie Riedl der Kauf eines Kinos bzw. Kinoanteils an sinnvoller Schritt zur existenziellen Absicherung darstellte, zumal auch der gemeinsame Sohn, schrieb Riedl, großes Interesse an der Führung eines Kinos hatte. Heinrich Riedl wurde 1919 geboren und sollte 1939 zur Wehrmacht eingezogen werden. Nach seinem Kriegsdienst plante der Sohn Riedls „die viersemestrige Filmakademie zu besuchen“. In ihrem Antrag um Aufnahme erwähnte Riedl in keiner Weise, dass sie sich von ihrem Mann getrennt hatte.

Am 15. März 1940 schlossen Ludovika Stich-Eisler, „Haus- und Kinobesitzerin in Breitenfurt, einerseits und Frau Emilie (Milly) Riedl, Forstmeistersgattin in Gilgenberg-Waldkirchen a. d. Thaya, Niederdonau, andererseits“ einen Kauf- und Gesellschaftsvertrag ab. Nach diesem, beim Wiener Anwalt Dr. Karl Sporr abgeschlossenen Vertrag, war Stich-Eisler zu diesem Zeitpunkt „alleinige Eigentümerin der Lichtspiele Siebenhirten [...] sowie alleinige Eigentümerin der Liegenschaft“. Laut diesem Vertag übertrug Stich-Leisler 2/5 des Kinos samt Inventar und sonstigem Zubehör an Emilie Riedl für einen Kaufpreis von 40.000 RM – geplant war auch ein weiterer Verkauf von 2/5 der Liegenschaft selbst, wobei es über diesen Kauf einen separaten Kaufvertrag geben sollte. Riedl zahlte den Kaufpreis im März 1935 in bar und galt laut Gesellschaftsvertrag, der mit dem Kauf zugleich abgeschlossen wurde, von nun an als Leiterin und damit Betriebsführerin des Kinos „den Behörden gegenüber“. „Sie hat alle mit dem Betrieb des Lichtspieltheaters verbundenen Agenden auszuführen, den Behörden gegenüber alle gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die baupolizeilichen Vorschriften genauestens einzuhalten [...]. Sie hat auch die Buchhaltung zu führen und sind die beiden Gesellschafter am Gewinn und Verlust und zwar Frau Ludovika Stich-Eisler zu 3/5 und Frau Emilie Riedl zu 2/5tel beteiligt.“ Riedl hatte zudem auch die Leitung der Konditorei zu übernehmen, die im Kinogebäude untergebracht um dem Kinobetrieb angeschlossen war. Auch hier sollte der Gewinn in der Aufteilung 3/5–2/5 an die beiden neuen Eigentümerinnen übergehen. „Eine abgesonderte Entlohnung der Frau Emilie Riedl für die Leitung des Lichtspieltheaters und der Konditorei findet nicht statt“, hielt der Vertrag schließlich fest, der auf „unbestimmte Zeit abgeschlossen“ wurde und zum 1. Jänner und 1. Juli eines jeden Jahres aufzukündigen war. Schließlich musste Riedl die im ersten Stock des Kinobaus errichtete Wohnung zu einem Mietzins von 40 RM pro Monat anmieten und diesen Zins jeden Monat in vorhinein an Stich-Eisler zahlen, auch die auf die Wohnung entfallenden Steuern hatte Riedl allein zu bezahlen. Das Mietverhältnis sollte solange Gültigkeit haben wie der abgeschlossene Gesellschaftsvertrag; im Falle eines Vertragsendes hatte Riedl die Wohnung „geräumt zu übergeben“.

Ein Jahr später führte der am 15. März 1940 zwischen Stich und Riedl abgeschlossene Vertrag zu einer Untersuchungen der Außenstelle Wien der Reichsfilmkammer, die in einem Schreiben von 16. Dezember 1941 festhielt, dass Stich laut des vorliegenden Kaufvertrages, nach dem sie 3/5 des Kinos und Riedl 2/5 des Kinos besaßen, keinerlei Funktionen im Betrieb inne habe, sondern ihre Verhältnis nur eines des Gewinnbeteiligung wäre, während Riedl wiederum „für die Leitung des Betriebs keine abgesonderte Entlohnung erhält“, was, so die Außenstelle Wien, „für unvereinbar mit nationalsozialistischer Rechtsauffassung“ wäre. Riedl wiederum, hieß es im Bericht, habe selbst erklärt, „dass sie keinerlei Branchenkenntnisse hat“ und „von Stich durch Aufklärungen, hinsichtlich der Inanspruchnahme durch die Leitung des Geschäftes irre geführt worden ist“. Schließlich hielt die Außenstelle fest, dass auch Ernst Stich weiterhin als „Kino-Besitzer“ genannt wurde, obwohl er im Vertrag zwischen den beiden Frauen nicht aufschien. „Auch dieser Punkt bedarf einer Klarstellung“. In einem mündlichen Gespräch, das am 16. Dezember 1941 zwischen Riedl und der Außenstelle der Reichsfilmkammer stattfand, gab die seit dem Sommer 1950 im Kino tätige Geschäftsführerin und (Miteigentümerin an, dass sie von Herr Stich im Vorfeld des Kaufvertrages in die Irre geführt worden war (und es wohl nur durch dessen falsche Erklärungen zu diesem gekommen war). „Obwohl sie für ihre leitende Tätigkeit ein Entgelt überhaupt nicht bekommt, sei sie nunmehr speziell auch infolge der gegenwärtigen besonderen Verhältnisse durch ihre geschäftsführende Tätigkeit äußerst angestrengt, wogegen Herr und Frau Stich für das Filmtheater überhaupt nichts arbeiten.“
Obwohl Stich wie Riedl die vorläufige Spielbewilligung erhielten, zog sich der Konflikt der beiden Parteien über die kommenden Jahre weiter. Am 12. Juli 1943 hielt Riedl laut einem Aktenvermerk (gez. Fuhrmann) die Entwicklungen um den Ver- und Ankauf des Kinos im Detail fest. Riedl erzählte, dass sie mit Leopold Stich vor der Unterzeichnung des Vertrages über fünf Jahre im Gespräch gestanden habe. Riedl, die sich schon lange für ein Kino interessierte und zudem nach der Trennung ihres Mannes nach einer Tätigkeit suchte, um für sich wie für ihren Sohn ein Auskommen zu finden, hatte von Stich im Laufe der Jahre mehrere Angebot bekommen, ehe sich die Verhandlungen 1939 konkretisierten. So sollte sie den Betrieb vorerst ganz kaufen, konnte sich die verlangte Summer von 130.000 RM nicht leisten und lehnte ab. Einige Zeit später bot ihr Stich an, 70 Prozent der Anteile zu kaufen „und 30 % sollte ich ihm bis an sein Lebensende ohne jede Gegenleistung sicherstellen. Auch dieses Anbot lehnte ich ab.“ Schließlich kam es doch zu einem Vertragsabschluss, der mit 15. März 1940 datierte und bei dem Leopold Stich sich unter anderem Riedl gegenüber äußerte, „sie solle froh sein, dass sie einen Teil des Kinos verkauft bekommen hat“.

Tatsächlich wies der Kauf- und Gesellschaftsvertrag, der beim Wiener öffentlichen Dr. Karl Sporr abgeschlossen wurde, nur Ludovika Stich-Eisler, „Haus- und Kinobesitzerin in Breitenfurt, einerseits“ und „Emilie Riedl, Forstmeistersgattin in Gilgenberg-Waldkirchen a. d. Thaya, Niederdonau, andererseits“ auf.

Riedl kaufte schließlich 2/5 des Betriebs für 12.000 RM. Für Riedl hatte die Situation bis dahin so ausgesehen, dass sie einzig von Leopold Stich und von diesem zur Gänze das Kino kaufen würde. Nun zeigte sich aber, dass sie zwar Leopold Stichs Anteil übernehmen würde – den größeren Teil aber dessen Frau Ludovika besaß und auch mit Vertragsabschluss weiterbesaß, ohne je im Betrieb tätig zu sein. Riedl schilderte die Situation bis ihrem Ankauf von Kinoanteilen so: „Meines Wissens lag vorher die nominelle Führung des Betriebes bei Herrn Stich bzw. Frau Stich, die tatsächliche Führung oblag dem Herrn Hager, dessen Frau Kassendienst versah. Herr Stich kam meines Wissens nur per Auto in den Betrieb, um sich das Geld zu holen und gelegentlich eine Vorstellung zu besichtigen.“
Riedl zog mit ihrem Eintritt in die Besitzverhältnisse in die über dem Kino gelegene Betriebswohnung und führte von da an das Kino alleinverantwortlich, während Ludovika noch Leopold Stich seit Riedls „Betriebsübernahme keinerlei Arbeiten im Betriebe“ leisteten und in „Kalksburg, Haselbrunnerstraße 6, in einer eigenen Villa“ wohnten.
Der daran angeschlossenen Aufforderung zu einem persönlichen Gespräch entzog sich Leopold Stich mit dem Verweis auf sein Herzleiden. Im August kam es zu einer mündlichen Verhandlung, an der wiederum nur Ludovika und Leopold Stich mit deren Notar, nicht aber Emilie Riedl erschienen. Am 12. April 1944 hieß es schließlich, dass alle Parteien keine Änderung des Gesellschaftsvertrags wünschten. Da dieser Ausgang nicht im Sinne der Reichsfilmkammer war, legte Dr. Fuhrmann von der Außenstelle Beschwerde ein, Leopold Riedl antwortete mit dem Verweis, dass der Vertrag von einem Notar verfasst worden war und zudem damals auch einem Referenten der Reichsfilmkammer vor Unterzeichnung vorgelegt worden war sowie „von Herrn Dr. Hammer sanktioniert“ worden war. Am 28. April 1944 konterte die Außenstelle Wien der Reichsfilmkammer, gezeichnet von Dr. Fuhrmann, mit der Aufforderung, bis Ende Mai einen der „Erfordernissen der Reichskulturkammergesetzgebung entsprechenden Gesellschaftsvertrag“ vorzulegen. Doch auch die neuen Verhandlungen zwischen den Vertragspartner:innen zogen sich weiter, wie aus mehreren Schreiben von Riedls Anwalt Dr. Franz Wrabetz an die Reichsfilmkammer hervorgeht. Nach einem weiteren Wechsel des Rechtsanwaltes, der sich angesichts der verhärteten Positionen nicht mehr in der Lage sah, einen positiven Ausgang zu erzielen, wurde schließlich angedroht, Ludovika Stichs noch immer laufendes Aufnahmegesuch in die Reichsfilmkammer abzulehnen. Stich holte sich nun einen Berliner Anwalt, in der Hoffnung, so ihre Interessen eher waren zu können. Weiterhin lehnte Stich auch ab, weitere 1/5 des Besitzes an Riedl abzugeben und argumentierte diametral zu dieser, dass nicht ihr Mann das Kino zum Verkauf angeboten hatte, sondern Riedl über Jahre um den Kauf gebeten hatte und sich zudem selbst bereit erklärt habe, die Geschäftsführung unentgeltlich zu übernehmen. Stich argumentierte zudem laut ihres damaligen Anwaltsbüros, dass ihr Mann das Kino sehr wohl als Geschäftsführer geleitet hatte – und dies schon zu der Zeit, als es noch seinem Bruder gehört hatte –, dass er, Leopold Stich, das den Betrieb „in besten Zustand gesetzt“ habe und nur durch seine schwere Lungenerkrankung gezwungen gewesen war, seine Position zurückzulegen. Schließlich wurde ein Vorschlag des Berliner Anwalts Carl Sarre angenommen, dem nach Stich 15 weitere Prozent an Riedl abgab und Letztere so eine Gesamtbeteiligung von 55 Prozent erhielt. Ein Entwurf für den Nachvertrag datiert handschriftlich mit 20. März 1945, wurde jedoch vermutlich bereits im Jänner, spätestens 1945 aufgestellt, da sich eine Reihe von Korrekturen, die auf Februar 1945 datieren, in den Akten der Reichsfilmkammer zu diesem Kinos finden. Ob es je zu einem Abschluss des Vertrages kam, geht aus den erhaltenen Dokumenten nicht hervor.

Ludovika und Leopold Stich lebten ab 1945 in Wien-Kalksburg, Haselbrunnerstraße 6.

Nach Mai 1945 scheint Riedl in keiner der Unterlagen zu diesem Kino mehr auf, sodass davon auszugehen ist, dass diese ab diesem Zeitpunkt ganz aus dem Vertrag ausgeschieden war.

Am 10. Juli 1945 erklärte Ludovika Stich eidesstattlich, dass sie niemals der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen zwischen 1933 und 1945 angehört hatte.

Nachkriegszeit
Am 8. Juli 1944 wurde das Kino bei einem Bombenangriff schwer beschädigt. Die Außentür wurde zerstört, das Dach und die Fenster beschädigt. „Saal und Kabine blieben unbeschädigt“, hieß es in einem Aktenvermerk.
Am 23. August folgte ein weiterer schwerer Angriff, der das Kino massiv beschädigte. „Der Spielbetrieb könnte zwar weitergeführt werden“, hieß es in einem neuerlichen Aktenvermerk, „doch mangelt es derzeit an elektrischem Strom“, sodass Stich den Spielbetrieb ganz einstellen musste.
Die erhaltenen Apparaturen wurden, berichtete Leopold Stich am 27. August 1945 dem Bund der österreichischen Lichtspieltheater schriftlich, wurden von dessen ehemaligen Operateur Anton Veith ab 21. Mai 1945 nach Leopoldsdorf bei Himberg „verschleppt“ und zwischen dessen neuen eigenen Kino in Leopoldsdorf sowie anderen Kinos in Niederösterreich und der Steiermark verteilt worden sein. Anderen Berichten zufolge, so Stich, sollte Veith hier auch mit einem russischen Offizier namens Georg zusammengearbeitet haben. Stich bat den Bund um Untersuchungen zu den Anschuldigungen und berichtete, dass bereits eine Reihe von Gegenständen wiedergefunden werden konnten. Am 14. September 1945 berichtete Stich über die weiteren Schritte: So war, nachdem Veith selbst nichts zurückgebracht hatte, der neue Operateur von Stich in dessen Kino in Leopoldsdorf gefahren, wo er „noch andere Sachen aus unserem Kino sah“ und es infolge zu einer schweren Auseinandersetzung kam, bei der Veith mit den „Russen“ drohte. Ebenfalls erfuhren Stich wie sein Operateur, dass auch die Vorführkammer des Vösendorfer Kinos von Veith verschleppt worden war.

Am 18. Dezember 1945 legte Ludovika Stich ihren Antrag um Wiedererlangung der Konzession für die Lichtspiele Siebenhirten vor. Ihr Antrag wurde vonseiten der öffentlichen Verwaltung des Gremiums der Lichtspielunternehmer, gezeichnet von Schreibenpflug, mit 7. Jänner 1946 befürwortet. Mit Bescheid von 17. Juli 1946 erhielt Ludovika Stich-Eisler die Konzession für das Kino erneut verliehen – die erste Gültigkeitsdauer lief bis 31. Dezember 1948. Zu diesem Zeitpunkt war das Kino noch soweit zerstört, dass es nicht wiedereröffnen konnte. Am 11. August 1947 hieß es, man brauche für eine Wiedererrichtung des Betriebs „dringend 650 Sessel“.

Noch im Laufe des Jahres 1948 trat des Neffe von Ludovika Stich-Eisler, der am 6. Oktober 1899 in Wien geborene Josef Buck, in die Geschäfte des Kinos ein und beantragte am 26. Februar dieses Jahres die Übertragung des Konzession auf seinen Namen sowie die Bestellung der am 23. Mai 1908 geborenen Rosa Hager (geb. Tomasek) zu neuen Geschäftsführerin. In dieser Konstellation wurde das Kino in den kommenden Jahren geführt, wobei es immer wieder zu Konflikten mit Mitarbeitern wie dem Kinooperateur Johan Wihra, aber auch Problemen wegen nicht korrekt angezeigter Filme im Sinne des damaligen Jugendschutzes kam.

1949 wurde das Kino mit einem Fassungsvermögen von nun 460 Sitzplätzen wiedereröffnet und wurde in den folgenden Jahren täglich außer Donnerstag bespielt.
1957 erhielt das Kino eine Breitwand und eine CinemaScope-Anlage. Doch die Modernisierungsmaßnahmen konnten auch dieses Kino nicht vor dessen Ende retten:
Am 29. März 1965 gab Hager handschriftlich bekannt, dass sie mit 31. März 1965 als Geschäftsführerin ausscheide und ihre Stelle an die Tochter des Kinoinhabers, „Fräulein Waltraud Buck, geb. 13. IX. 1935, in Gumpoldskirchen, Hauptplatz 6“ übergeben werde. Buck wurde so mit der Abwicklung des Schließungsverfahrens beauftragt und führte das Kino im Namen ihres Vaters für weitere drei Monate. Am letzten Spieltag des Siebenhirtener Kinos zeigte man Henry Kings Zärtlich ist die Liebe (USA 1962) mit Jennifer Jones, Jason Robards und Joan Fontaine.

Am 19. Juni 1965 gab Josef Buck schließlich persönlich bekannt, seinen Betrieb wegen „des schlechten Besuchs“ einstellen zu müssen. „Der Fachverband der Lichtspieltheater bedauert, bekanntgeben zu müssen, dass das Lichtspieltheater Siebenhirten in Wien 23. mit Wirkung vom 30. Juni 1965 den Betrieb wegen mangelnder Rentabilität einstellt“, hieß es im Schreiben von Kommerzialrat Hermann der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Sektion Fremdenverkehr, an den Fachverband der Filmindustrie von 24. Juni 1965. Bucks geäußerte Hoffnung, das Kino wieder in Betrieb setzen zu wollen, „sollte sich die Situation des Kinobesuches im Allgemeinen wieder erholen“, wurde nicht erfüllt: Josef Buck starb am 13. November 1966, der Betrieb wurde nicht mehr weitergeführt.

In einer abschließenden Mitteilung des Wiener Magistrats, MA 7-3243/67, von 2. Jänner 1968 hieß es über das Ende des Kinos, dass die bis 31. März 1970, Zl. MA 7-897/64 verliehene Konzession zum Betriebe des Angeführten Kinos mit dem Tag des Ablebens [von Josef Buck] erloschen“ war.

In den Jahren nach der Schließung des Kinos wurde das Gebäude u. a. als Gasthaus mit angeschlossener Sport-Kegelbahn im einstigen Kinosaal betrieben. Das Gebäude wurde schließlich ganz abgerissen.


Inhaber:innen
Ernst und Käthe Doleschal (1914–1935)
Leopold und Ludovika Stich (ab 1934)
Emilie Riedl, Ludovika Stich (15.3.1940-1945)
Ludovika Stich (1945-1948)
Josef Buck (ab 1948 bis 1965 bzw. 1966, im Erbgang)

Lizenz/Konzession
Käthe Doleschal (1914-1935)
Ludovika Stich (1935-1944/1946-1948)
prov. Leitung Dr. Alfred Migsch (1945-1946)
Ludovika Stich-Eisler (1946–1948)
Josef Buck (1948-1966)

Geschäftsführer:innen
Ernst Dolezal (1914-1920 oder -1922)
Hans Lang (1922 oder 1924-1934 oder 1935)
Käthe Doleschal bzw. Leopold Stich (nominell), Viktor Dorner (real) (1935-1936)
Leopold Stich (nominell), Viktor Hager (real) (1936-1938)
Leopold Stich (allein, nominell?) (1938)
Emilie „Milly“ Riedl (1940)
Rosa Hager (1948-1965)
Waltraud Buck (April bis Juni 1965)

Quellen
Wiener Stadt- und Landesarchiv, Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien, A1 – Kinoakten: 64 – Lichtspiele Siebenhirten
Wiener Stadt- und Landesarchiv, Fachverband der Lichtspieltheater, A1 – Kinoakten: 197 – Siebenhirten Tonkino


© KinTheTop/Angela Heide zuletzt aktualisiert: 28.11.2024
Zitierweise: http://www.kinthetop.at/forschung/kinthetop_23_SiebenhirtenKino.html, zuletzt eingesehen [Tag.Monat.Jahr]