1781 wurde mit dem Leopoldstädter Theater das erste Wiener Vorstadttheater gegründet.
Erster Direktor war der ehemalige Prinzipal einer mobilen Schauspielertruppe, Matthias Menninger, der mit dem Leopoldstädter Theater auch eine der ersten Wiener Konzessionen für ein Theater mit festem Standort erhalten hatte. Er kaufte ein halb verfallenes Haus in der Jägerzeile (der heutigen Praterstraße), ließ es abreißen und ein zweistöckiges Theatergebäude errichten, das noch im gleichen Jahr mit dem viel sagenden Stück Aller Anfang ist schwer eröffnet wurde.

Das "Theater in der Leopoldtstadt", ein mit einem großen kaiserlichen Adler geschmückte scheunenartiges Gebäude, zählte trotz seiner Schlichtheit und extremen Enge in den kommenden Jahren zu den beliebteste Bühne Wiens. Von hier aus traten u.a. der "Kasperl" von Johann Laroche oder der "Thaddädl" ihren Siegeszug an.

1817 wurde Ferdinand Raimund als Schauspieler an das Haus engagiert, im selben Jahr Grillparzers Ahnfrau uraufgeführt, fiel jedoch damals, von großem Aufsehen begleitet, beim Wiener Publikum durch. Ab 1823 feierte Raimund hier seine ersten großen Erfolge als Dramatiker.
Zu den weiteren wichtigen Stützen des Hauses zählte der heute kaum noch bekannte Dramatiker Karl Meisl (Verfasser von mehr als 200 Stücken): 1824 spielte man sein Theatralisches Quodlibet in drei Akten über ein künftiges Wien, in dem ein Kaufmann nach hundertjährigem Schlaf 1923 in Wien erwacht und Luftschiffe, Dampf- und sogar Denkmaschinen vorfindet ...

Von 1828 bis 1830 war Ferdinand Raimund Direktor des Leopoldstädter Theaters, doch nach seinem Abschied konnte sich der Erfolg nicht mehr einstellen und das Haus in der Jägerzeile verlor zusehend die Gunst des Publikums und geriet in enorme finanzielle Schwierigkeiten.
Es war daher ein Leichtes für Carl Carl (eig. Bernbrunn), der damals auch das Theater an der Wien leitete und zuvor das Theater in der Josefstadt geführt hatte, das Leopoldstädter Theater im Jahre 1838 zu kaufen, zu renovieren und vor allem zu modernisieren und sogar mit Gasbeleuchtung auszustatten, um es erneut zu einer der wichtigsten Bühnen der Stadt zu machen.

Am entscheidendsten war aber sicherlich sein Engagement von Johann Nestroy und Wenzel Scholz, die er beide schon aus seiner Zeit am Theater an der Wien her kannte und durch eine Zusammenführung der beiden Ensembles auch in die Leopoldstadt holen konnte.

1847 wurde das Gebäude teilweise abgerissen und nach Plänen der Architekten August Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll, den späteren Erbauern der Wiener Staatsoper, wieder aufgebaut.

Im Revolutionsjahr 1848 stellte Carl an seinem Theater eine eigene Nationalgarde auf, unter den "Revolutionären" die Schauspieler Johann Nestroy und Heinrich Strampfer, der bei den Oktoberkämpfen auf der Rotensternbarrikade fiel. Am 1. Juli desselben Jahres wurde Nestroys Freiheit in Krähwinkel uraufgeführt - und bald darauf verboten.

Von 1854 bis 1860 war Johann Nestroy Direktor des Theaters, und noch bis zur Jahrhundertwende konnte sich das Theater als eine der beliebtesten Volkstheater- und Operettenbühnen der Stadt halten. Das Carltheater hielt sich noch bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein. Doch der rasche Wechsel an Intendanten und der Ausbruch des I. Weltkrieges führten zur finanziellen Krise. 1929 wurde das Theater geschlossen; das Gebäude diente in den folgenden Jahren nur noch als Kulisse, etwa für Willy Forsts Film Operette.

Bei einem Bombenangriff 1944 wurde der Zuschauerraum des Theaters fast völlig zerstört. Die Fassade blieb jedoch vorerst erhalten. 1951 wurde sie jedoch ebenso wie das im Krieg unbeschädigt gebliebene Nachbargebäude abgerissen.
An Stelle des Theatergebäudes befindet sich heute ein Bürogebäude: das sog. Galaxie-Hochhaus, das einige Zeit den News-Verlag beherbergte, ehe es neuerlich einer Renovierung unterzogen werden musste. Bis vor Kurzem erinnerte zumindest noch eine Gedenktafel an der Praterstraße an dieses ehemals so populäre Theater.
Heute fehlt auch diese.


Texte
Franz Hadamowsky: Das Theater in der Leopoldstadt von 1781 bis 1860. Wien 1934.
Leopold Rosner: 50 Jahre Carl-Theater. Wien 1897
Dieter Klein / Martin Kupf / Robert Schediwy: Stadtbildverluste Wien. Ein Rückblick auf fünf Jahrzehnte. Wien 2005.

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