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< zurück Gründung Das Johann-Strauß-Theater wurde 1908 als Operettentheater anstelle des ehemaligen Graf Narkoschen Hauses gegründet. Der Grund gehörte Leopold Müller (1848-1912), dem seit 1897 die wirtschaftliche Verwaltung des Carltheaters oblag, dessen Co-Direktor an der Seite von Andreas August Aman (1842-1927) er 1900 geworden war. Müller erhielt zur Erbauung des neuen Theaters u. a. Kredite von der Baufirma der Brüder Emanuel und Eduard Schweinburg, die auch an der Gründung des Bürgertheaters (1905), der Renaissancebühne (1912) und 1913 des Kosmos Kinos beteiligt waren, sowie von einer Reihe weiterer namhafter Geldgeber, als Architekt wurde Eduard Prandl beauftragt, der sich, nach einer Reihe von Mietshäusern, mit dem Bau des Apollo Theaters einen Namen gemacht hatte. Müller reichte vorerst um eine Konzession für dramatische und musikalische Vorstellungen in deutscher Sprache, Schau- und Lustspiele sowie Schwänke und Possen ein. Das Theater sollte vorerst 1.080 Personen Platz bieten, der Zuschauerraum umfasste schließlich bei der Eröffnung des Hauses 1.192 Personen. Nach Bewilligung der Konzession und dem Bau des neuen Hauses in der Favoritenstraße wurde das Johann-Strauß-Theater am 30. Oktober 1908 mit einem Prolog von Wolfgang Madjera und anschließend der Operette 1001 Nacht des knapp eine Dekade zuvor verstorbenen Namensgebers eröffnet. 1911 suchte Müller darum an, dass auch sein Sohn Erich Müller, der bisher als stellvertretender Direktor fungiert hatte, in den Konzessionsvertrag aufgenommen wurde. Gemeinsam leiteten Vater und Sohn das Großtheater bis 1912; im selben Jahr starb Leopold Müller, sein Sohn Erich erhielt als Erbe die Spielbewilligung bis 1913 und schließlich auf weitere zehn Jahre bis 1923, konnte jedoch den erfolgreich begonnenen Weg nicht weiterführen. Das Theater geriet in eine finanzielle Krise, sodass sich Erich Müller um eine Neukonzeption des Hauses bemühte. Mit einer Reihe Operetten von Lehár, Kálmán und Oscar Straus und mit Stars wie Alexander Girardi gelang dies auch, zumindest bis zum Krisenjahr 1929. Danach konnte das Großtheater angesichts der enormen Konkurrenzsituation an Unterhaltungsbühnen in Wien, aber auch der Einführung des Tonsilms im Jahr darauf, der zu einem Boom der Wiener Kinos führte, kaum nicht mehr gehalten werden. Neueröffnung als Kino Die damalige Situation führte dazu, dass sich die KIBA und deren Leiter Edmund Hamber darum bemühten, das Theater anzukaufen und zu einem Monumenalkino umwandeln zu können. Dasselbe Konzept war ihnen mit dem ehemaligen Apollotheater, dem nunmehrigen Apollo Kino und einem ähnlich großen Zuschauerraum gelungen. Nun sollte, nach dem sechsten Bezirk, auch auf der Wieden ein Kinopalast dieser Art eröffnet werden. Tatsächlich wurde im Sommer 1931 das Gebäude durch den bekannten Architekten Carl Witzmann und dessen Assistenten Robert Kotas, der nach 1945 zum meistgeschäftigen Kinoarchiekten der Gemeinde Wien avancierte, zu einem Kino umgebaut. Am 29. September 1931 wurde das neue Großkino unter dem Namen „Scala“eröffnet. Zum Bauvorhaben schreibt Thomas Jelinek in Die Wiener Kinos (2022, S. 43): Am Montag, dem 8.6.1931, konnte mit dem dreimonatigen Umbau des Theaters begonnen werden, bi dem quasi kein Stein auf dem anderen blieb. Einzig die ehemalige Chorgarderobe blieb erhalten und diente Architekt Carl Witzmann unter der Assistenz von Robert Kotas zur Koordinierung der Baustelle. Die Gesamtkosten des Großprojekts beliefen sich auf 1,2 Millionen Schilling. Die größten baulichen Veränderungen betrafen mit ihren unterbrochenen Fensterreihen die Fassade des Theaters. Eine transparente Wand wurde vorgelagert, sie sollte eine einheitliche Oberlänge schaffen und der Außenwerbung und Lichtreklame dienlich sein. Vier Kassenschalter wurden in einen Zubau integriert, der jetzt auch das Theater in einer Linie mit der Favoritenstraße abschloss. Im Theatersaal wurden all tragenden Säulen der Logen und Ränge entfernt. Balkon und erster Rang des neuen Kinos sollten gänzlich freitragend sein, um jedem Sitzplatz die beste Sicht auf die Bühne zu ermöglichen. Die Tiefe des Saals wurde zusätzlich um sieben Meter erweitert; seitlich der Bühne hob man Nischen aus, in die die Pfeifen der versenkbaren Kilgen-Kino-Orgel eingebaut wurden. Das großzügige Foyer war mit Büfetts und Garderoben für mehr als 1.300 Personen ausgestattet. Projiziert wurde auf eine 42 m2 große - damals Wiens größte - Leinwandfläche, tief hinter der Bühnenrampe versetzt, um auch Besuchern der ersten Parkettreihe eine günstige Sichtmöglichkeit zu bieten. Der Zuschauerraum wurde mit lachsrotem Damast verkleidet. Bereits 1993 hatte Franz Grafl in Praterbude und Filmpalast. Wiener Kino-Lesebuch den Umbau dargestellt (116 f.): Im Scala-Kino wurden jene baulichen Maßnahmen verwirklicht, die in den Dreißigerjahren einen modernen Kinopalast ausmachten: Außen eine hell erleuchtete Fassade mit großen Plakatflächen, die durch Aufgabe einiger Fenster des Galeriefoyers gewonnen wurden; innen ein großzügiges Foyer mit Garderoben und Büffets für mehr als 1.300 Personen. Besonders stolz war man auf die von allen Plätzen optimale Sicht auf die 42m² große Leinwand. Die unabdingbare Kinoorgel und die seitlich angebrachten Lautsprecher konnten rasch und geräuschlos in der Bühne versenkt bzw. hoch gezogen werden, sodass ein rascher Wechsel zwischen Film- und Theateraufführungen möglich war. Der Zuschauerraum wurde von zehn Lustern erhellt, die je nach Wunsch in vier verschiedenen Farben direktes oder indirektes Licht gaben. Anerkennung fand auch die Belüftungsanlage, die dem Kinosaal pro Stunde 60.000m³ Luft in Raumtemperatur zuführte. […] Dieser Kinobau repräsentierte - wie es schien - den endgültigen Sieg des Kinos über das Theater - auch in Wien. Siegfrid Geyer schrieb anlässlich der Eröffnung des neuen Wiener Großkinos an der Stelle des ehemaligen Operettentheaters: Es ist schon sehr schön und großstädtisch. Das Haus könnte in London, in Paris stehen, vielleicht in New York. Es beweist, dass der Film das einzige den Künsten verwandte [!] Genre ist, das Geld investiert und Geld hat. Die Konkurrenz, die die Theater zu bestehen haben, wird immer schwerer, wenn die Schlösser des Tonfilms die Zuschauer so mächtig anziehen wie dieses neue Lichtwunder. (Zit. n. Grafl 1993, S. 117) Konzessionär war zu diesem Zeitpunkt immer noch Erich Müller, der parallel dazu auch die Konzession für die Grazer Bühnengesellschaft hatte, dessen Geldber, der Fabrikant Haas, auch Besitzer einer Reihe von Grazer Kinos und Pächter des Stadttheaters der Stadt Graz war. Das Kino, das vorerst Kiba Palast heißen sollte, behielt mit dem Namen Scala seine Anspielung auf dessen Theatertradition, der Name verwies zudem auf die Relevanz des neuen Kinopalastes und dessen internationale Ausrichtung und erhoffte Pionierstellung. Bereits bei der Eröffnung leuchtete der neue Name in modernistischer Leuchtschrift an der neuen, imposanten Kinofassade. Eröffnet wurde mit einem Kassenschlager: Der Kongress tanzt des erfolgreichen deutsch-jüdischen Theater- und Filmregisseurs Erik Charell (1894–1974). Nur zwei Jahre später befand er sich auf dem Weg in die USA. 1939 emigrierte mit Lilian Harvey auch der weibliche Star des Films, die anlässlich der Wiener Erstaufführung in der Scala euphorisch auf dem Wiener Westbahnhof empfangen worden war. Während ihre Co-Stars Willy Fritsch und Conrad Veidt – beide blieben während des NS-Regimes aktiv im deutschen Film – ihre Anwesenheit absagten, sprach, nach der Fanfare eines Bläserensembles der Wiener Staatsoper vor dem neuen Kinotheater, der Wiener Publikumsliebling und Max-Reinhardt-Darsteller Hugo Thimig die Eröffnungsworte. Danach wurde die neue Orgel durch Billy Barnes eingeweiht, die neue hauseigene Jazzkapelle spielte unter der Leitung von Franz Fox, und nach der Pause, in denen die Foyers vorgestellt wurden, kam es zur Erstaufführung jenes „wienerischsten“ (Grafl 1993) Films der damaligen Zeit, der rasch zum größten Hit des deutschsprachigen Kinos jenes Jahres werden sollte. Das junge Premierengroßkino verfügte phasenweise über eine eigene Ballettgruppe, und Schauspieler zeigten hier immer wieder kurze Sketches vor dem Hauptfilm. Auch die Gliederung des Abends war gediegen: Man zeigte nach der Wochenschau meistens einen Kurzfilm, danach einen Zeichentrickfilm und schließlich – wenn es dazwischen nicht noch die genannten theatralen "Einlagen" gab, den Hauptfilm. Als ersten Leiter des Tagesbetriebs setzte die KIBA Karl Eduard Pollak ein, der jedoch nach wenigen Wochen an einem Hirnschlag starb, sodass man als neuen Leiter Alexander Schreiner einsetzte. Doch das versprochene Erfolgskonzept hielt sich nicht lange: Nach kaum zwei Jahren musste die KIBA eingestehen, dass zwei Großkinos angesichts von zu wenig Kassenschlagern, wie es Der Kongress tanzt gewesen war, nicht zu halten waren. Man entschied sich vonseiten der KIBA für das Apollo Kino, das nahe an der Kinomeile Mariahilfer Straß lag, und schloss die Scala als Kino. Von 1933 bis 1938 betrieb Rudolf Beer das Haus neuerlich als Sprechbühne – behielt dabei jedoch den nun eingeführten Namen des ehemaligen Kinos. Und mit dem Gastspiel Fritzi Massarys in der Oscar-Straus-Operette Eine Frau, die weiß, was sie will konnte hier auch als wiedereröffneter Theaterbetrieb ein veritabler Publikumserfolg verzeichnet werden. – Aufführungen der Operette waren kurz zuvor in Deutschland bereits durch Sprechchöre radikalisierter SA-Mitglieder gestört worden. Und auch nach den Wiener Aufführungen endete für Massary eine jahrzehntelange Karriere: Sie emigrierte nach England und von hier in die USA, wo sie nie mehr an die Erfolge vor 1933 anschließen konnte und 1969 gänzlich vergessen in Beverly Hills verstarb. Auch der Komponist der Operette, Oscar Straus, emigrierte 1940 über Spanien in die USA, sein Sohn Leo und dessen Ehefrau wurden ermodert, seine Tochter überlebte dank ihrer Ehe mit einem Enkel Hans Makarts. Der Librettist der Operette, Alfred Gründwald, der 1937 am Theater an der Wien mit Roxy und ihr Wunderteam noch einen letzten Theatererfolg verbuchn durfte, floh nach kurzzeitiger Inhaftierung durch die Gestapo über Paris in die USA, wo er 1953 starb. Rudolf Beer schließlich, der die Scala noch bis zum sog. "Anschluss" leitete, wurde kurz darauf während einer Vorstellung von Calderóns Der Richter von Zalamea vom Schauspieler und NS-Betriebszellenleiter Erik Frey gemeinsam mit Robert Valberg aus einer Loge des Theaters geholt, von NS-Schergen gefoltert und danach auf der Höhenstraße vor ein Auto gestoßen. Er nahm sich kurz darauf in seiner Wohnung das Leben. NS-Zeit Während des Nationalsozialismus wurde das Gebäude neuerlich zu einem NS-Großkino, das vor allem für die Aufführung von Propaganda- und Unterhaltungsfilme der Ufa diente – so etwa zur Eröffnung des Kinos unter nationalsozialistischer Führung mit dem Film Heimat (D 1938, Regie: Carl Froehlich) und dessen Star Zara Leander, die für den Galaabend auch nach Wien gereist kam (entgegen den Erwartungen des Publikums jedoch nicht sang, wie sich Koizar 1986 erinnert). Im Oktober 1941 zeigte man hier Gustav Ucickys Heimkehr (D 1941) mit Paula Wessely. Das mit NS-Fahnen behängte Kino wurde dafür aufwändig mit Blumenschmuck ausgestattet, zur Premiere spielten die Wiener Philharmonika unter der Leitung von Rudolf Moralt Beethovens Coriolan-Ouvertüre, zu den prominenten Gästen zählte Baldur von Schirach als Reichsstatthalter. Am 23. Juli 1943 hatte an der Scala der erste Farbfilm der Ufa, Baron Münchhausen (D 1943, Regie: Josef von Báky) mit Hans Albers, seine Wiener Premiere. Zwei weitere große Film-Erfolg der 40er-Jahre in der Scala war u. a. Der Postmeister mit Hilde Krahl und Wiener G'schichten - ein fulminanter Erfolg, bei dem sich die Darsteller:innen nach der Filmpremiere über 30-mal verbeugen mussten. Das neue Theater in der Scala bis zu dessen Schließung im "Kalten Krieg" 1945 beschlagnahmte die russischen Alliierten das in ihrer Zone gelegene Gebäude, um es – vorerst noch als Kino – für Propagandazwecke zu nutzen. Gezeigt werden sollten vorrangig Filme des Sovexport-Verleihs. Einer der Filme, die in dieser Zeit hier gezeigt wurden, war Der weite Weg von Eduard Hoesch (A 1946) mit einer ganzen Reihe künftiger Stars des österreichischen Nachkriegsfilms, darunter Rudolf Prack, Maria Andergast, Hans Holt und Karl Skraup. Doch das ehemalige Theater hatte eine Drehbühne und eine Versenkung, sodass sich auch der aus dem Schweizer Exil nach Wien zurückgekehrte Schauspieler und Regisseur Karl Paryla bereits ab 1946 bei der von KPÖ-Mitglied Viktor Matejka geleiteten Kulturstelle der Stadt Wien um eine neuerliche Theater-Konzession bemühte, die er schließlich auch nach knapp drei Jahren als Kinobetrieb 1948 erhielt: Das nunmehrige Neue Theater in der Scala wurde von 16. September 1948 (Eröffnung mit Johann Nestroys Höllenangst) bis 1956 von einem überwiegend kommunistischen Leitungsteam geführt. Restitution und Zerstörung Da das Kino bereits vor dem März 1938 in Besitz der KIBA gestanden war, also trotz der Direktion Beers kein offiziell jüdischer Betrieb, sondern einer der Gemeinde Wien gewesen war, reichte die neu konstituierte KIBA bereits am 10. März 1948 einen Antrag beim „Restitutionsfonds der sozialdemokratischen Organisationen“ ein. Die Verhandlungen zogen sich bis 1949, in diesem Jahr erhielt die Apollo-Betriebs-Ges.m.b.H. der KIBA zwar den Rückstellungsvertrag, das Kino bzw. Theater blieb dennoch bis 1955 unter der Patronanz der russischen Alliierten. 1955 kam es erneut zu Meldungen, man werde nach dem Ende der alliierten Besetzung aus dem Theater noch einmal ein Kino machen. Doch diese Berichte sollten sich nicht bewahrheiten: Nachdem die Theaterleitung 1956 gezwungen wurde, den Betrieb einzustellen, gelangte das Theater schließlich wieder offiziell in den Besitz der Gemeinde Wien, die es 1959 unter massiven Protesten der Wiener Bevölkerung abreißen ließ. Der ehemalige Filmoperateur der Scala wechselte übrigens danach an die Urania, wo er bis zu seiner Penionierung weiterhin die großen Filmerfolge der großen Scala-Jahre spielte. Gemeindebau 1978 bis 1980 wurde an der Stelle des einstigen Theaters bzw. Kinos ein Wohnhaus der Gemeinde Wien erbaut, als Architekten waren hier Gerhard Krampf und Karl Schwanzer beauftragt, Namensgeber des nunmehrigen August-Bergmann-Hofs war der sozialdemokratische Funktionär und stellvertretende Bezirksvorsteher der Wieden August Bergmann (1906-1966). 1999 wurde schließlich nach langen Bemühungen eine Erinnerungstafel an den früheren Theater-/Kino-Betrieb eingeweiht. < zurück |