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Das Schönburg Kino wurde im Dezember 1913 von Arthur Baron eröffnet.
Baron wurde am 15. Mai 1874 in Wien geboren, studierte Architektur, unter anderem bei Karl König und Karl Mayreder an der Technischen Hochschule und arbeitete mehrere Jahre lang gemeinsam mit seinem Kollegen Oskar Neumann, u. a. an das Mietshaus mit angeschlossenem Stadthotel in der Schikanedergasse 2–4, Ecke Margaretenstraße 24, in dem sich bald schon das Schikaneder Kino befand.

Zu seinen viel beachteten zeitgenössischen Konzepten einer multifunktionalen urbanen Bespielung zählte etwa der im Auftrag der Papierfabrik Steyrermühl geplante spätsezessionistische Residenzpalast (1909–1910), bekannt auch als Orendihof, an der Ecke Rotenturmstraße und Fleischmarkt 1, in dem sich neben einem (namensgebenden) Teppichhandel auch an einer Seite das Rotenturmkino und an der anderen die Residenzbühne, die heutigen Kammerspiele, befanden. Eine der Besonderheiten des großen Innenstadtbaus war dessen Stahlbetonkonstruktion, die es zum einen erlaubte, gleich zwei Souterrainbetriebe einzubauen, ohne die Statik des Hauses zu gefährden, zum anderen erlaubte die moderne Bauweise auch eine für folgend Geschäftslokale prototypische großflächig einsichtige Konstruktion der Schauräume, in denen zwischen den Stahlbetonträgern Glas-Eisen-Konstruktionen platziert wurden.
Es folgten u. a. Konzepte für Filialen des Wäschegeschäfts Herzfeld in der Inneren Stadt und für einen Juwelier auf dem Graben sowie die Planung des Portals für den 1895/96 von Moses Löw geplanten Grillparzerhof auf dem Bauernmarkt 10.

Ein ähnliches urbanes Mehrzweckkonzept verfolgte der vielbeschäftigte jüdische Architekt und Immobilienbesitzer wohl auch im vierten Bezirk mit dem von ihm erbauten Wohnhaus mit integriertem Schönburg Kino, gut gelegen an der Ecke Wiedner Hauptstraße 64 und Klagbaumgasse, dessen Name sich vom nahe gelegenen Palais Schönburg ableitete. Baron ließ das kleine Kino zeittypisch ausstatten und attraktivierte das schmale Saalkino durch eine Galerie.

Arthur Baron blieb bis in die 1930er-Jahre hinein Eigentümer der Immobilie und des Kinos. Lizenzinhaber für den Kinobetrieb war hingegen Heinrich Kraus sen. bis 1928, im Jahr 1928 kurzzeitig Heinrich Kraus jun. und von da an bis zum „Anschluss“ Baron selbst, wobei dieser den Tagesbetrieb in die Hände der beiden Geschäftsführer:innen Paula und Hans Bauer legte.

1930 führte man auch hier den Tonfilm ein, und Baron erweiterte das schmale Kino so gut es ging auf auf 275 Plätze. Der erste Tonfilm, der hier gezeigt wurde, hieß Tänzerinnen für Südamerika gesucht (A/D 1930) des niederländischen Regisseurs Jaap Speyer mit dem damaligen Star Dita Parlo sowie den Publikumslieblingen Hedwig Bleibtreu, Hans Marr und Paul Otto in Nebenrollen. Nachdem das Kino kurze Zeit als Schönburg Ton-Kino fungierte, beließ man den Namen letztlich doch bei Schönburg Kino.

NS-Zeit
Um sein Kino vor dem NS-Zugriff zu schützen, entschied sich Baron bereits vor dem März 1938, 25 Prozent des Besitzes an seinen Geschäftsführer Bauer zu übertragen, in der Hoffnung, das Letzterer im Falle der „Arisierung“ bevorzugt behandelt werden würde. Nachdem das Schönburg Kino wie alle anderen jüdisch geführten Kinos vorerst unter
„kommissarische Leitung“ der Allgemeinen Filmtreuhand G.m.b.H. gestellt und Baron die Lizenz umgehend entzogen wurde, reichte tatsächlich Bauer am 16. Juli 1938 um den Erhalt der NS-Spielerlaubnis ein, die ihm per 4. März 1939 auch von der Vermögensverkehrssztelle der RFK zugesprochen wurde. Angeleitet vom NS-Anwalt der RFK Dr. Alois Bernwieser musste Baron seine bestehenden 75 Prozent am Kino an Bauer für einen Betrag von 6.000 Reichsmark übergeben. Der „Rückstand“, den der Anwalt für dieses Kino in der Höhe von 8.000 RM errchnet hatte, wurde hingegen von Bauer Baron gegenüber nicht geltend gemacht. Letztendlich erhielt Baron von Bauer nur 4.125 RM für den Betrieb, bei einer gleichzeitigen Arisierungsauflage von 5.5.35 RM.

Das Gebäude selbst, in dem sich das Kino befand und das ebenfalls noch 1938 in Besitz von Baron stand, wurde mit Vertrag von 10. Oktober 1938 zu je 50 Prozent vom Ehepaar Hans und Katharina Vogt „arsiert“, die es ihrerseits am 17. April 1944 im Zuge einer Schenkung an ihre Tochter Johanna Schultz übertrugen.

Bauer wurde in den folgenden Monaten, da er als ehemaliger Geschäftspartner eines Juden als nicht zuverlässig galt, scharf beobachtet; das Ansuchen, dass seine Frau Paula den Betrieb mit ihm leiten dürfe, wurde abgelehnt und dem suspekten, weil bis vor Kurzem mit einem Juden in geschäftliche Verbindung stehenden Konzessionär, schließlich der Treuhänder Alfred Mazal zur Kontrolle an die Seite gestellt. Ab 1942 lief das Kino, den Vorgaben der Reichsfilmkammer folgend, als Schönburg Lichtspiele.

Arthur Baron und seine Frau, die Malerin Kitty (Katharina) Kassowitz (1882–1952), konnten 1940, knapp aber noch rechtzeitig Wien verlassen. Interniert auf Maurizius starb der renommierte Wiener Architekt 70-jährig auf der Insel - und auf dem Weg nach Palästina. Sein Grab ist heute auf dem dortigen jüdischen Friedhof zu finden, seine Frau konnte im August 1944 in Palästina einreisen.

Restitution und letzte Jahre
Nach Kriegsende wurde das Schönburg Kino aufgrund der nachweislichen Enteignung der ehemaligen Eigentümer:innen unter die provisorische Leitung des damaligen Vertreters der Wiener Stadtregierung Alfred Migsch gestellt, der es unter die tagesbetriebliche Leitung von Oskar Bortslieber stellte. Bortslieber war ab 1911 Kinovorführer im nahe gelegenen Wienzeile Kino gewesen, konnte jedoch, obwohl „Halbjude“, aufgrund seiner Erfahrung auch während des NS-Regimes in diesem Kino verbleiben und wurde für seine Tätigkeit im Schönburg Kino auch vom wiedergegründeten Bund der österreichischen Lichtspieltheater bestätigt. Nur ein Jahr nach Kriegsende suchten sowohl die KIBA wie auch Bortslieber um die Konzession des Kinos an, dessen überlebende Eigentümer:innen bzw. deren Erben zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefunden worden waren. Erst im Oktober dieses Jahres konnte über die britische Militärregierung Arthur Barons Bruder Norbert Baron in Philadelphie ausgeforscht werden. Dieser gab den Tod seines Bruders sowie den damaligen Wohnort seiner Schwägerin in Palästina bekannt, sodass man nun auch Kitty Baron anschreiben konnte. Am 23. Mai 1947 wandte sich diese ihrerseits an die amerikanische Militärregierung in Wien und suchte um die Restitution des Hauses und Kinos sowie um die Restitution weiterer drei Liegenschaften in Wien an. Wenige Monate später kehrte sie auch persönlch nach Wien zurück und übernahm persönlich die Leitung des Kinos, die sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1952 innehatte.
Ihr folgte mit Gerti Kvergic, die das Kino bis zu dessen Schließung mit der von ihr gegründeten eigenen Schönburg Lichtspiele Ges.m.b.H. führte. 1958 ließ die Kinoleiterin ihren Betrieb noch einmal umbauen von Norbert Mandl (1911–2001), damals einer renommierter Architekt, der vor allem im Auftrag der Gemeinde Wien tätig war, neu gestalten. Eine großflächige Glasfassade, die Einblick in das Foyer bot, und ein moderner, beleuchteter Schriftzug sollten in das kleine traditionelle Eckkino einladen. Doch auch diese Bemühungen konnten den Erhalt des Kinos nicht mehr absichern: Am 30. April 1964 fand mit der fanzösischen Komödie Karambolage (F 1963, Regie: Marcel Bluwal) die letzte Vorstellung im Schönburg Kino statt. Am 6. Mai 1964 hieß es in einem Schreiben der nunmehrigen Kinoleitung an die Kulturabteilung der Gemeinde Wien: „Wir teilen mit, dass unsere Firma, die Schönburg Lichtspiele Dr. Schick & Co. OHG, wegen schlechten Geschäftsganges ihren Betrieb per 30.4.1964 eingestellt und liquidiert wird.“

Den attraktiven Standort an einer Straßenbahn- und Busstation nutzten in den folgenden Jahren eine Reihe von Betrieben, u. a. ein Blumengroßhandel, eine Fleischerei und aktuell eine Bäckereirette. Während eines Umbaus konnte man hier für kurze Zeit den alten Schriftzug des einstigen Bezirkskinos.


Quelle & Links
Zu Arthur Baron vgl. u. a.wikipedia.org
Wiener Stadt- und Landesarchiv, Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien, A1 – Kinoakten: 109 Schönburg-Kino
Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A27 – ÖV Kino: K85 Schönburg-Lichtspiele
Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A11: 4. Schönburg-Kino
Werner Michael Schwarz: Kino und Kinos in Wien. Eine Entwicklungsgeschichte bis 1934. Wien: Turia & Kant 1992, S. 210.
Thomas Jelinek, Florian Pauer: Die Wiener Kinos. Wien 2022, S. 33–36. Hier wird die Leitung von Kitty Baron bis 1957 angeführt.

Das Foto oben wurde von Wien Geschichte Wiki übernommen.
Das Foto unten stammt von Peter Roehsler/Nanookfilm aus dem Jahr 2015. Wir bedanken uns herzlich für die Abdruckgenehmigung!

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