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Um 1912 und der zeitgleichen Einführung des Stahlbetons/Eisenbetons, der wesentlich komplexere und tragfähigere Gebäude, aber auch die Bespielung von Souterrainräumen erlaubte, kam es zu einem neuerlichen Boom an Kinogründungen, von denen die meisten, den neuen Möglichkeiten folgend, in den „Keller“ der betreffenden Gebäude wanderten. Dazu kam, dass diese Kinoneugründungen wesentlich größer waren als die bisherigen ebenerdigen Kinos, die meistens in Straßenlokalen etabliert wurden, oft in schlauchförmigen, schmalen und wenig attraktiven Räumen. Die neuen Kinos ab 1912 punkteten mit gediegenem Ambiente, weiträumigen Anlagen und individuellem Flair.
Ein prototypisches Beispiel für eines der modernsten Kinos seiner Zeit war so auch das Mariahilfer Flottenvereinskino.

Gründung
1913 ließ der 1872 in Ismael (damals Bessarabien, heute Ukraine) geborene Architekt Julius Goldschläger ein „Wiener Bürohaus“ nach seinen Plänen errichten, in dem er von Beginn an den Einbau eines Kinos konzipierte. Angesichts der gestiegenen Konkurrenz entschied sich der Architekt und Bauherr, die Lizenz für den Kinobetrieb an einen Wohlfahrtsverein zu übertragen, da dies die Chancen, die Lizenz zu erhalten, steigerte. Tatsächlich konnte das Flotten-Kino, dessen Name auf den Trägerverein und dessen Ziele verwies – den  „Österreichischen Flottenverein“ zur Förderung der damaligen k. u. k. Flottenverbände – am 11. Dezember 1913 feierlich eröffnet werden. Tags darauf berichtete die Wiener Zeitschrift Die Zeit über das vielbeachtete Großereignis:

Eröffnung des Flottenvereinskinos.

Gestern abends ist das neue Kino des Flottenvereins eröffnet worden, das im „Bureauhaus“ in der Mariahilferstraße einbaut wurde. Es ist das größte [!] Kino Wiens und hat Platz für 800 Gäste. Die Ausstattung ist sehr elegant. Der Saal kann jederzeit als Theaterraum benützt werden, denn die Kinoleinwand deckt eine eiserne Kurtine, die einen großen Bühnenraum abschließt. Der gestrigen ersten Vorstellung, die mit einer Begrüßungsansprache des Konteradmirals Teufl eröffnet wurden, wohnten bei: Fürstin Lobkowitz, Graf Harry Larisch, Vizepräsident des Österreichischen Flottenvereins, Grad des Fours, Admiral Dell Adami, General der Infanterie v. Schoedler, die Generalmajore Langer, Schenk und Fitzner, Linienschiffskapitän Rodler, Oberst Straub, Generalmajor Golugorski, Oberst v. Schießler, Oberst Ritter v. Ursyn-Pruszynski, Oberst Szende v. Fülekeleszeny, Baronin Auffenberg, Baron und Baronin Lepell, in Vertretung des Polizeipräsidenten Regierungsrat Bolt, die Präsidentin der Damensektion Baronin Baumgartner mit den Vorstandsdamen, Sektionsrat Millsteiger, Marghi und Zora Baronin Brandyszany, Ida und Ludmilla Horotvsky und viele Mitglieder des Vorstandes des Flottenvereins.
(Die Zeit, 12.12.1913, S. 7.)

Goldschläger hatte mit dem neuen Kino ein kleines Juwel an der Mariahilfer Straße gestaltet. Das großzügige Foyer bot über 1.000 Personen Platz, der in Braun und Gold gehaltene, in Ansätzen an den Goldenen Saal des Musikvereins erinnernde Kinosaal selbst fasste an die 800 Personen, war eng mit Holzklappsesseln bestuhlt und verfügte über an den beiden Seiten des Saals gelegene leicht erhöhte Logenbereiche mit je 15 Plätzen. Es gab eine moderne, automatische Heizungs- und Belüftungsanlage und die Möglichkeit, den Eisernen Vorhang, ebenfalls eine Besonderheit für einen Kinobetrieb, hochzufahren, um hinter der Leinwand auch szenische und musikalische Aufführungen anzubieten.
Nach der feierlichen Eröffnung fand schon am zweiten Tag die erste öffentliche Vorstellung statt.

Nur wenige Monate nach der Eröffnung wurden die Räume des Kinos kriegsbedingt umfunktioniert: Bis Kriegsende befand sich hier ein Spital für Kriegsinvalide und Verwundete des Ersten Weltkriegs. Der Notausgang des Kinos, der in die Esterházygasse führte, wurde in dieser Zeit als Eingang für das Spital verwendet. Von 17. Dezember 1915 bis 17. Januar 1916 fanden hier zusätzlich Aufführungen von Karl Vollmöllers Mirakel in der Regie keines Geringeren als Max Reinhards statt, die die Kriegsfürsorgeorganisation „Schwarz-gelbes Kreuz“ zugunsten von Kriegsinvaliden initiiert hatte. (1912 war bereits Reinhards Filmadaption des Stoffes in den österreichischen Kinos herausgekommen.)

1915 eröffnete Goldschläger, dessen Tätigkeiten als Arcihtekt ins Stocken geraten waren, auf der Wiedner Hauptstraße 6 das KAB Kärntnerthor-Automatenbuffets und beendete seine Laufbahn als Architekt, sein Bürohaus mit Kino sollte zu seinem letzten realisierten Bauprojekt werden.

Ein Jahr nach Kriegsende, am 4. Dezember 1919, wurde ein Antrag vom damaligen Bezirksvorsteher des sechsten Bezirks gestellt, der dazu aufforderte, die Kinolizenz an den „Zentralen Verband der deutsch-österreichischen Kriegsbeschädigten“ zu verleihen. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt, und der „Österreichische Flottenverein“ blieb Lizenzinhaber bis 1926.

1921 erhielt auch das Kino im Tiefparterre des Gebäudes einen eigenen Kaffeehausbetrieb. Ab 1922 bot man nachmittags Vorstellungen der „Wiener Puppenspiele“. 1923 kam es zu einem kleineren Brand im Kino, der nach Angaben des Feuerwehrkommandos der Stadt Wien durch einen Riss im gezeigten Film ausgelöst wurde, da dieser zuvor mit einer nicht sachgemäß ausgeführten Klebestelle korrigiert worden war. Auch wenn es keine Verletzten gab, wurde der Kinoeigentümer Julius Goldschläger zu strengeren Brandschutzmaßnahmen in seinem Betrieb aufgefordert.

1926 übernahm der „Pestalozziverein für Kinderschutz und Jugendfürsorge“ die nunmehrige Konzession, obgleich diesem nur vier Jahre zuvor wegen Unregelmäßigkeiten die Lizenz für das Residenz Kino in der Mollardgasse 19, 1060 Wien, entzogen worden war.

Kinoeigentümer war von 1913 an bis 1928 Julius Goldschläger; Geschäftsführer und damit das „Gesicht“ des vielseitigen Spielortes war jedoch John Schmidt, ein überaus erfahrener Kinomanager, der zuvor das Stiller Kino im Prater und das Elite Kino auf der Wollzeile geleitet hatte. 1932 starb der bekannte Kinoleiter.

Ab 1928 pachtete die Kommanditgesellschaft „Holzer & Sekyra OHG“, vertreten durch Johann Holzer und Rudolf Sekyra: Johann Holzer war bereits von 1910 bis 1913 Lizenzinhaber des „Kino Stiller“ auf dem Neubaugürtel 25 (auch: „Holzers Kinematograph“) und ab 1919 von dessen Nachfolgekino „Abbazia Kino“ auf dem Neubaugürtel 15 gewesen. Sein Kompagnon Sekyra hatte das „Abbazia Kino“ gegründet und übernahm nun erneut mit Holzer gemeinsam ein Wiener Kino. Kommanditen waren August Vinciquerra, Georg Amfalden sowie von 1929 bis 1935 die „Hugo Engel G.m.b.H.“, die ab 1926 auch Mitbesitzerin des „Elite Kinos“ war.

Im Oktober 1929 wurde das Flotten Kino als eines der damals ersten Kinos der Stadt früh mit einer Tonfilmanlage der Firma Western Electric ausgestattet; der erste Tonfilm, der hier präsentiert wurde, war Der singende Narr (USA 1928, Regie: Lloyd Bacon) mit keinem Geringeren als Al Jolson, der 1927 mit The Jazz Singer, dem ersten abendfüllenden Tonfilm, zum Weltstar avanciert war. Der Streifen war zuvor im Lustspieltheater im Wiener Prater, damals bereits in der Direktion von Josef Jarno, gezeigt worden und zog von hier in das Flotten Kino.

In den Jahren 1936 und 1937 wurde das Kino an Sonntagen mehrmals von der „Fachgruppe für technische Volksbildung“ für Sonderveranstaltungen gemietet, wobei die gezeigten Programme vom Veranstalter selbst beigestellt wurden. Gezeigt wurde am 25. Oktober 1936 das Programm Deutsches Volk zur See („Ein neues Schiff“, Gorch Fock, Die biologische Seestation in Kiel, Der VI. Teil der Sommerolympiade in Berlin und die Bavaria-Wochenschau 42) sowie die Wochenschau Österreich in Bild und Ton. Am 15. November 1936 folgte das Programm Deutsches Volk als Pionier (Eroberung der Luft, Bezwingung des Materialtodes) sowie der „Uraniafilm“ Nanga Parbat aus dem Verleih Hugo Engel. Am 6. Dezember 1936 präsentierte man das Programm Jugend in Sonne und Schnee (Sonne und Schnee über Deutschland, Winterfreuden in der Steiermark, Wien, die Wiege des Eis-Kunstlaufes und Jugend der Welt). Am 24. Jänner 1937 folgte das Programm Wehr und Waffen (Die Front in Flandern nach 15 Jahren, Das Grabmal des unbekannten Soldaten, Die kriegstechnische Ausbildung des österreichischen Heeres, Husaren der See, Waffenträger der Nation), am 7. März 1937 präsentierte der Verein eine Reihe von „Kulturfilmen“ (Von Wald zur Straßendecke, Kampf mit dem Moor, Steine geben Brot, Deutscher Wald – Deutsches Holz, Um das blaue Band der Schienen, Wenn einer eine Reise tut …), am 14. März 1937 eine „Kultur Film Matinee“ mit Wasser hat Balken, Helgoland sowie der österreichischen und der Bavaria-Ton-Woche. Eine „Kultur Film Matinee“ folgte am 21. März (neben der Wochenschau gezeigt wurden Große Stadt im engen Tal, Vom Uhu und anderen Geschichten der Nacht, Kleiner Film von einer großen Stadt, Eine Fliege ist ins Glas gefallen und Du und die Sterne) und am 4. April 1937 der Hapag-Film Mit der Hamburg-Amerika-Linie rund um die Welt sowie die Wochenschauen des Abendprogramms). Am 4. April 1937 folgte abends eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten des „Ersten evangelischen Unterstützungsvereines für Kinder“. Gezeigt wurde der UFA-Film Schloss Hubertus, eine Ludwig-Ganghofer-Verfilmung in der Regie von Hans Deppe.

1938 wurden von der Außenstelle der Reichsfilmkammer alle Vereine, die Kinokonzessionen hielten, aufgelöst, so auch der Pestalozziverein. Neuer Eigentümer und Konzessionär wurde Georg Scheidl, der in den letzten Kriegstagen fiel.

Der Gründer des Kinos, Julius Goldschläger, starb 1940 an den Folgen ein Hirnembolie. Seine Frau Sara wurde in der Shoah ermordet, seinen vier Kindern gelang noch rechtzeitig die Flucht vor dem NS-Regime.

Nachkriegszeit
Im Erbgang führten ab 1945 seine Witwe Juliane Scheidl den Betrieb weiter; parallel dazu bemühte sich aber auch der wiedergegründete Verein um die Rückerstattung der Konzession, die ihm 1938 entzogen worden war. Da die Rückgabe an Kinos im Falle von 1938 aufgelösten Vereinen unklar war und auch Scheidl nicht von ihrem Recht, das Erbe ihres Mannes anzutreten, zurücktreten wollte, kam es in den folgenden Monaten zu einem Rechtsstreit der drei Parteien. Nachdem sich der Konflikt 1949 massiv ausgeweitet hatte und weiterhin ungeklärt blieb, ließ das Polizeikommissariat Mariahilf den Kinobetrieb vorläufig sperren und den Projektionsraum versiegeln. Juliane Scheidl nutzte ihre Kinoräume in den folgenden Monaten für Varieté-Aufführungen, um weiterhin Einnahmen aus dem Familienbetrieb zu lukrieren.

Im 1950 entschied der Verwaltungsgerichtshof, dass Juliane Scheidl rechtmäßige Eigentümerin und Konzessionärin des Kinos sei. Sowohl die „Übernahme“ durch die KIBA wurde als rechtswidrig bezeichnet wie auch das Ansuchen des Pestalozzivereins, auf seine Rechte von 1938 zurückgreifen zu dürfen, abgewiesen. Nach eineinhalb Jahren als Varietébetrieb wurde das Flotten Kino mit dem Musikfilm Mexikanische Nächte (USA 1947, Regie: Richard Thorpe) und Esther Williams wiedereröffnet.

Doch die KIBA blieb weiterhin an dem beliebten Kinostandort interessiert und konnte nach mehrjährigen Verhandlungen 1953 das Kino käuflich erwerben und die Konzession übernehmen.Robert Kotas wurde mit der Umgestaltung des zu diesem Zeitpunkt nicht mehr den modernen Maßstäben entsprechenden Kinos beauftragt. Kotas nahm, so die Presseberichte zur Neueröffnung, besonders auf die Klangwirkung und auf bequeme Sitzgelegenheiten Bedacht genommen, eine moderne Klima- und Beheizungsanlage installieren und sowohl die Front des Kinos wie auch das beliebte Foyer mit dem stets gut frequentieren Büffet modernisieren lassen. Darüber hinaus wurde die Bar, die zum alten Kino gehört hatte, mit ihren 250 Plätzen zur ersten Wiener „Kulturfilmbühne“ umgewandelt.

Am 10. September 1953 wurde das Kino unter Anwesenheit des damaligen Präsidenten der KIBA, Stadtrat Josef Afritsch, feierlich wiedereröffnet; wenige Monate später begann man hier, Modeschauen vor den Filmvorführungen anzubieten – eine wienweite Neuerung, die dazu dienen sollte, die Beliebtheit der Wiener Kinos zu steigern. Im Flotten Kino hatte man aus diesem Anlass im November eine Abstimmung anlässlich der letzten Vorstellung des Films Gegenspionage mit Gary Cooper abgehalten. Die Besucherinnen und Besucher stimmten dabei auf Frage „Wünschen Sie die Vorführung einer Modeschau?“ mit 606 Stimmen für das Abhalten von Modeschauen (103 waren dagegen, 26 Zettel waren ungültig, 40 Zettel wurden nicht abgegeben).














Das Flotten Kino im Jahr 1953, Fotos: Votava

Am 28. September 1954 wurde hier mit dem „Studio 1“ ein früher Versuch der KIBA gestartet, in Wien ein „Arthouse-Kino“ zu schaffen. Der kleine Sondersaal hatte rund 250 Plätze und wurde von der Leiterin der ebenfalls gemeindeeigenen „Urania“, Hilde Hannak, programmiert. Eröffnet wurde mit Vittorio de Sicas Wunder von Mailand (I 1951); gezeigt werden sollten von nun an Reprisen und anspruchsvolle Filme; zudem gab es bei manchen Filmen Diskussionen im Sinne der „Kino- und Jugendreformer“ der 1950er-Jahre, um die als „zu unmittelbar und unberechenbar geltende Wirkung von Filmen auf Jugendliche zu brechen und einen Reflexionsprozess in Gang zu setzen“.
Die Gestaltung hatte auch hier Robert Kotas übernommen, der die Studio-1-Räume ganz in Schwarz-Weiß einrichten ließ, während das restliche Kino ein anderes Farbkonzept hatte. Die Farbgebung „rekurrierte neben der Feierlichkeit, Strenge und Weltabgewandtheit […] vor allem auf die lange Zeit dominante Vorstellung, wonach die ,Filmkunst‘ bereits in der Stummfilmzeit ihren künstlerischen Zenit erreicht hätte“.
Im August 1955 wurde in beiden Sälen eine CinemaScope-Anlage eingebaut, wobei man, wie auch beim Kolosseum Kino auf der Nußdorfer Straße 4, zwei Philips-Kinoprojektoren und eine Vierspur-Magnettonanlage installierte.
Das Projekt einer Parallelbespielung von großem Saal mit Publikumshits und kleinem Saal mit avancierterer Programmschiene hielt sich bis Anfang der 1970er-Jahre, ehe das „Studio 1“ in die Urania umzog und bald darauf schloss.

1973 folgte der nächste Versuch der KIBA, das Kino zu erhalten. Erneut wurde es umfangreicher Neugestaltung unterzogen, dieses Mal durch den Architekten August Weißhaar, der zeitgleich auch für die Umgestaltung des Metrokinos, seit 1951 ebenfalls im Eigentum der KIBA, herangezogen wurde. August Weisshaar hatte bereits beim Kärntner Kino als Assistent von Robert Kotas gearbeitet 1969 bereits die Schwegler Lichtspiele (Schwegler Straße 31, 1150 Wien) adaptiert. 1980 sollte Weisshaar schließlich auch das Actors Studio umgestalten.
Dem Wunsch des Publikums nach bequemeren Sitzen folgend verabschiedete man sich damals von den bisherigen enggereihten Holzklappstühlen. Stattdessen gab es nun an Fauteuils erinnernde bequeme Polsterstühle, in die man während der Filmprojektionen „versinken“ konnte. Aus dem einst für 800 Personen konzipierten Saal wurde ein moderner Kinosaal mit knapp 400 Sitzen.
Die frei gewordenen Räume wurde für mehrere Jahre zu Schwimmbad. Sauna und Billardraum umfunktioniert, das Studio 1 auf 150 Plätze reduziert. Zur Neueröffnung gab man im Studio 1 eine Reprise von Irma la Douce von Billy Wilder (USA 1963) und im Großen Saal den im Jahr davor herausgekommenen Kassenschlager Der Clou mit Robert Redford und Paul Newman (USA 1973, Regie: Roy Hill).
Im Sommer 1974 wurde das Kino bei einem Brand, den eine „Justizguerilla“ entfacht hatte, massiv beschädigt.

1980 kam es schließlich zum letzten großen Umbau: Aus dem einstigen Großkino im gediegenen Ambiente und mit weitläufigen Foyers wurde eines der ersten Wiener Mehrsaalkinos. Am 5. September 1980 eröffnete das nunmehrige „Flotten-Center“ mit seinen vier Sälen, die sich aus dem einstigen Hauptsaal, den Nebenräumen und dem aufgelösten Studio 1 zusammensetzten. 1981 wurde im Vorführraum des früheren Studio 1 die „erste vollautomatische Kinoanlage Österreichs installiert, die während des gesamten Filmprogramms kein Personal benötigte“. (Thomas Jelinek in Die Wiener Kinos, Wien 2022, S. 147). Die Flotten-Sauna blieb dabei erhalten.

Ein letzter großer Umbau folgte im Jahr 1993, dieses Mal durch den Architekten Heinz Horst Busch, dem man auch den Umbau des Kolosseum-Centers als Mehrsaalkino anvertraute. „Die Aufenthaltsräume waren in freundliche Naturfarben von Blau bis Gelb gehalten. Das Büfett wurde vom zweiten Untergeschoß ins Kassengeschoß verlegt, wobei man diesen Bereich von 80 auf 150 m2 vergrößerte, da die Flotten-Sauna aufgelöst wurde. Zusätzlich wurde ein poppiges Candy Corner eröffnet, und Saal 1 wurde von 4-Kanal auf Dolby SRD 6-Kanal umgestellt sowie mit neuen Sesseln bestückt“, fasst Thomas Jelinek in Die Wiener Kinos (2022, S. 147) die damaligen Umbauten zusammen. Zur Eröffnung gab es den „Erotik-Thriller“ Silver mit Sharon Stone und William Baldwin (USA 1993, Regie: Phillip Noyce).
Ab 1995 zeigte man im Flotten-Center alle Filme in Originalfassung und änderte den Namen des Kinos drei Jahre später auf American Flotten Center.
 
1999 löste sich die KIBA nach massiven Vorwürfen auf. Neue Eigentümerin wurde die „City Cinemas Lichtspieltheater Ges.m.b.H.“, ihrerseits in enger Abstimmung mit der Gemeinde Wien, die einen Großteil der bisherigen KIBA-Kinos übernahm und das American Flotten Center zu ihrem „Aushängeschild“ wählte.
Die großen Megaplexxe, die die KIBA zuletzt ebenfalls zu ihrem Betriebskonglomerat zählte, wurden ihrerseits damals von der Constantin übernommen.
Nur ein Jahr nach der Umbenennung entschloss man sich vonseiten der neuen Inhaberin, wieder Filme vorwiegend in deutscher Fassung zu zeigen und nur fallweise Originalfassungen mit deutschen Untertiteln anzubieten. Mit Eyes wide shut (USA 1999, Regie: Stanley Kubrick) konnte man in diesem Jahr einen veritablen Kassenerfolg verzeichnen. Doch das Ende des Kino-Centers sollte bald darauf folgen. Um 2000 wurde das Gebäude, in dem sich das Flotten Kino seit 1913 befand, von deiner Tochter der Bank Austria verkauft. Die neuen Eigentümer forderten von nun an die zehnfache Monatsmiete – eine finanzielle Unmöglichkeit auch für einen Mehrsaalbetrieb angesichts der seit den 1960er-Jahren kontinuierliche sinkenden Besucher:innen-Zahlen. Anfang 2002 folgte der Konkursantrag der Trägergesellschaft City Cinemas, und im Februar 2002 wurde das Flotten Kino für immer geschlossen. Als letzte Vorstellung setzte man Peter Bogdanovics Die letzte Vorstellung an, ehe das Kino nach knapp 80 Jahren mit einer „Leichenfeier“ verabschiedet wurde.
Von 10. Bis 12. Mai 2002 fand ein Flohmarkt statt, bei dem „das meiste des Inventars […] verkauft“ wurde. Die technische Anlage wurde vom St. Pöltener Cinema Paradiso übernommen.
Heute befinden sich dort je eine Filiale der internationalen Billigketten „Hofer“ und „Mac Donald’s“ sowie das Gesundheitszentrum Wien-Mariahilf der Wiener Gebietskrankenkasse.


















Bestehende Leuchttafel des Flotten Kinos, Foto: Angela Heide, 2007


















Foto: Anna Heuberger, 2008


Quellen und Links
Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA), M.Abt. 104, A11: 6. Flottenkino
Werner Michael Schwarz: Kino und Kinos in Wien. Eine Entwicklungsgeschichte bis 1934. Wien: Turia & Kant 1992, S. 222.
Thomas Jelinek, Florian Pauer: Die Wiener Kinos. Bd. 2. Wien 2022, S. 136–160.
https://www.derstandard.at/story/947708/die-letzte-vorstellung-im-wiener-flotten-center.



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